Pflegepersonalbemessung - Gesetzentwurf kritisch durchleuchtet
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Dem Bundesgesundheitsministerium und seinem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, scheint es immer wieder erfolgreich zu gelingen, erfolgreich kritisiert zu werden, so auch beim Entwurf eines Gesetzes zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus, dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG).
Das Ziel ist klar, es soll ein Gesetz werden, welches den Personalbedarf für die Pflege im Krankenhaus berechnet. Dazu versucht man über einen "Schlüssel" zu berechnen, wie viel Personal benötigt wird um bestimmten pflegerischen Aufgaben gerecht zu werden. Eine solche Personalbemessung wurde übergangsweise in einer Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) als Übergangslösung, bereits getroffen.
Fragwürdig sind solche Berechnungen immer, denn der Pflegebedarf, gerade auch im Krankenhaus, ist schwer zu berechnen. Für Pflegerinnen und Pfleger können zwar passend zur behandelnden Krankheit die Pflegeaufwände berechnet und somit der Personalbedarf bestimmt werden, aber das Prinzip weist seine Grenzen auf. Gerade Patienten die eingeliefert werden, schon im Vorwege einen Pflegebedarf haben, sind kaum im Personalaufwand kalkulierbar. Zwar gibt es die gesetzliche Regelung für Menschen mit Behinderungen, die eine Aufnahme einer Assistenz ermöglichen, dieses aber unter Ausschluss pflegerischer Maßnahmen.
"Um die Personalsituation in der Pflege kurzfristig zu verbessern, soll der für eine bedarfsgerechte Pflege am Bett erforderliche Personaleinsatz auf bettenführenden Stationen der Somatik unter Berücksichtigung des Konzeptes der PPR 2.0 in Vorgaben zur Personalbesetzung festgelegt werden", so der Lösungsvorschlag im Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums. Genau da fängt aber das Problem an, denn "in Vorgaben zur Personalbesetzung" ist zwar ein guter Ansatz, jedoch nützen Vorgaben wenig, wenn einfach kein Personal zur Verfügung steht, viele Krankenhäuser chronisch unterbesetzt sind.
Das macht sich beispielsweise in der Notaufnahme immer wieder bemerkbar. Bereits dort findet eine Form der Triage statt und so ist es nicht selten, dass sogar Menschen mit Pflegebedarf mehrere Stunden in der Notaufnahme warten müssen, nur weil die eigentliche Verletzung/Ursache im Triage-Ergebnis weniger dringlich ist. Stunden in der Notaufnahme, fast immer ohne pflegerische Versorgung, wie unsere investigative Recherche ergab.
Panik ist aber nicht angesagt, denn im Entwurf steht auch ganz deutlich: "Zur Vorbereitung der Rechtsverordnung nach Absatz 1 beauftragt das Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Januar 2023 eine fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtung oder einen Sachverständigen oder eine Sachverständige (Auftragnehmer) mit einer mindestens dreimonatigen Erprobung der Grundlagen der in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 festzulegenden Vorgaben." Das entspricht etwa dem, was an anderer Stelle im Gesetzestext an Änderungen geplant ist, denn viele geplanten Änderungen im Sozialgesetzbuch fünf, sind mit einer Befristung versehen, die im Gesetzesentwurf verlängert werden.
Grundsätzlich stellt sich, dass merken viel Pflegekräfte unabhängig ihres Beschäftigungsortes, die Frage, wie überhaupt Personalaufwände berechnet werden können. Natürlich lassen sich gewisse Arbeitsprozesse, wenn man so mal die Einzeltätigkeiten in der Pflege betitelt, mit Zeitaufwänden belegen. Das ist auch erforderlich um eben genau die Personalaufwände und somit auch die Kosten, beziffern zu können. Jedoch generalisieren, das ist in vielen Fällen nicht möglich, den selbst einfache Tätigkeiten können sich individuell im Aufwand gestalten. Das liegt im wesentlichen daran, dass pflegebedürftige Menschen eben doch Individuen sind. Daher ist es bei der Bemessung der Aufwände auch wichtig, dass hier immer nur im Mittelwert gerechnet werden kann. Das plastisch abzubilden ist am Ende Aufgabe von Sachverständigen, die dann die Vorgaben für die Aufwände festlegen.
Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, übt an dem jetzigen Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums, Kritik:
"Mit dem aktuell vorgelegten Referentenentwurf zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz soll zeitnah die Personalsituation in den Kliniken verbessert werden. Angesichts der nach wie vor zu hohen Belastungen auf den Stationen unterstützen wir als AOK diese Initiative, sehen jedoch gravierende Webfehler im nun vorgelegten Entwurf. Das Pflegepersonalbemessungsinstrument PPR 2.0 war bisher als Übergangslösung gedacht, soll aber jetzt mit dem Gesetz unbefristet aufgebaut werden. Statt sich auf ein zukunftsfähiges und bedarfsgerechtes Instrument zu konzentrieren, werden damit unnötige Parallelstrukturen geschaffen. Das bindet Ressourcen, kostet Geld und trägt nicht dazu bei, die Situation in der Pflege nachhaltig zu verbessern. Mit der Einführung von PPR 2.0 stehen der Gesetzlichen Krankenversicherung zusätzliche Mehrausgaben in unkalkulierbarer Höhe ins Haus. Vor dem Hintergrund der aktuell angespannten Finanzlage der GKV lehnen wir diesen Ansatz entschieden ab.
Die im Referentenentwurf vorgesehene Budgetbeschleunigung birgt ein weiteres finanzielles Risiko. Die Grundintention einer schnellen Klärung offener Budgetfragen ist zwar zu begrüßen, doch kann der jahrelange Reformstau mit über 4.500 offenen Verfahren nicht wie jetzt vorgesehen innerhalb von sieben Monaten aufgelöst werden. Das ist weder für Kliniken noch für die Krankenkassen leistbar. Wir befürchten, dass ein Großteil der Verhandlungen vor der Schiedsstelle landen wird und dann die Forderungen der Kliniken einfach durchgereicht werden. Die Zeche würden am Ende wieder die Beitragszahlenden begleichen müssen. Stattdessen sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, um eine erfolgreiche und beschleunigte Budgetfindung vor Ort voranzutreiben. Dazu gehört insbesondere die Pauschalisierung jetzt besonders strittiger Tatbestände im Pflegebudget.
Insgesamt ist der Entwurf zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz nach dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz leider ein weiteres Beispiel dafür, wie die Gesetzliche Krankenversicherung finanziell geschwächt und destabilisiert wird. Nachhaltige Maßnahmen im Sinne von Effizienz und Qualität wie im Koalitionsvertrag vereinbart, lässt auch dieses Gesetzesvorhaben leider erneut vermissen."
Autor: kro / © EU-Schwerbehinderung