Pflegepolitik weiterhin auf Kosten pflegender Familien
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Der Bundesverband wir pflegen e.V. begrüßt erste zaghafte Schritte des Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetzes (PUEG) zur Verbesserung der Situation pflegender Angehöriger.
"Wir begrüßen es, dass die Koalition den zuvor gestrichenen Gemeinsamen Jahresbetrag wieder aufgenommen hat. Die Zusammenführung von Kurzzeit- und Verhinderungspflege in einem Budget ist ein erster Beitrag zum von pflegenden Angehörigen schon lange geforderten Bürokratieabbau und zur dringend notwendigen Flexibilisierung der Leistungen.
Positiv bewertet wir pflegen, dass die Bundesregierung mit der Einführung dieses Budgets für chronisch kranke und behinderte Kinder zum 1.1.2024 auch den dringenden Unterstützungsbedarf pflegender Eltern erkennt. Auch, dass die bisher einmalige Leistung von 10 Tagen Pflegeauszeit bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung nun auf eine jährlich beantragbare Leistung erweitert wird - mit Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld.
Höchst kritisch ist jedoch, dass alle Maßnahmen des PUEG ausschließlich durch die Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung finanziert werden und dass die für 2025 geplante Dynamisierung des Pflegegelds geringer ausfällt, um das Entlastungsbudget zu finanzieren: Das Pflegegeld soll dann um 4,5 statt wie zunächst geplant nochmals um fünf Prozent angehoben werden. Dabei wäre allein beim Pflegegeld eine Steigerung um 20 Prozent zum Ausgleich der Kostensteigerungen seit 2017 nötig gewesen." So bewertet Heinrich Stockschlaeder die PUEG-Beschlüsse aus Sicht der Fachkommission Pflegepolitik des Bundesverbands.
Das Ziel, die häusliche Pflege zu stärken und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen und Pflegepersonen nachhaltig zu entlasten, lässt sich über die viel zu kurz gegriffenen Maßnahmen des Gesetzes nicht erreichen. Dies ist angesichts der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen fatal.
"84 Prozent aller Pflege wird von pflegenden An- und Zugehörigen geleistet. Der Pflegenotstand ist akut, die Betroffenen benötigen heute und morgen weit größere Hilfe, nicht erst in der nächsten Legislaturperiode. Die häusliche Pflege kann sich nicht von Brosamen vom leeren Tisch einer überfälligen Pflegereform ernähren", bekräftigt Sebastian Fischer, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes.
"Pflegenden Angehörigen und ihren Organisationen fehlt zudem das Verständnis, warum der Bundeskanzler erlaubt, dass das FDP-Finanzministerium den Kurs in der Pflegepolitik bestimmt, die Bedarfe pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen ignoriert, und Vereinbarungen des Koalitionsvertrags und der Bündnisparter SPD und Bündnis 90 / Die Grünen blockiert. Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund.
Dennoch steht unsere Interessenvertretung pflegender An- und Zugehöriger weiterhin allen Dialogen offen gegenüber. Auch wenn der große Wurf einer nachhaltigen Unterstützung und Entlastung der häuslichen Pflege mit dieser Pflegereform wieder gescheitert ist, schulden wir es pflegenden Angehörigen, sie weiterhin intensiv in Selbsthilfeinitiativen und in die Dialoge zur Pflegeplanung einzubinden. Nur wenn ihre Stimme als Wähler und Leistungsträger lauter wird, wächst die Wahrscheinlichkeit wirklicher Reformen," ergänzt Fischer.