Studie zum Entgelt für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten
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Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat den "Abschlussbericht der Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt" veröffentlicht. Zum Entgelt in den Werkstätten heißt es: "Im Jahr 2020 lag das monatliche Entgelt pro Person mit durchschnittlich 225 Euro in gleicher Höhe wie im Vorjahr und ist im Jahr 2021 geringfügig auf 226 Euro gestiegen. Die Spannbreite der durchschnittlichen monatlichen Entgelte reicht von 174 Euro in Sachsen bis zu 270 Euro in Bremen und Hamburg."
Die Studie zielt darauf ab, die Entwicklung eines transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystems für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen zu unterstützen. „In diesem Zusammenhang wird auch untersucht, wie Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verbessert werden können. Das derzeitige Entgeltsystem wird in der Literatur, der gesellschaftlichen Diskussion und ebenso aus rechtswissenschaftlicher Perspektive kritisch gesehen. In breit angelegten Befragungen von Werkstattleitungen und Werkstattbeschäftigten, von deren Angehörigen und Bezugspersonen sowie von Werkstatträten, Frauenbeauftragten und ehemaligen Beschäftigten werden diese Kritikpunkte konkretisiert und Vorschläge zu möglichen Verbesserungen des Entgeltsystems ebenso wie der Übergangsmöglichkeiten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ermittelt. Für ausgewählte Entgeltalternativen werden die finanziellen Auswirkungen auf die Beschäftigten und die gesellschaftlichen Kosten berechnet. Aus den Forschungsergebnissen werden Handlungsempfehlungen zur Reform des Entgeltsystems und der Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abgeleitet,“ heißt es in der Studie.
Der Fachausschuss äußerte sich im Rahmen der Staatenberichtsverfahren in seinen Abschließenden Bemerkungen mehrmals unter Art. 27 UN-BRK konkret zu geschützten Beschäftigungssystemen und übte daran deutliche Kritik. "So zeigt er sich besorgt über die Förderung von Behindertenwerkstätten in Polen und die Segregation von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten in Luxemburg, Deutschland und Slowenien sowie die zu hohen Beschäftigungszahlen von Menschen mit Behinderung außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarktes in Tschechien und Österreich. Es mangele in Deutschland und Bulgarien an Durchlässigkeit zum ersten Arbeitsmarkt, deren Folge niedrige Übergangszahlen seien, die durch finanzielle Fehlanreize gefördert würden."
"Der Fachausschuss empfiehlt in dem Großteil der untersuchten Abschließenden Bemerkungen an EU-Staaten, die Beschäftigung von Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt durch entsprechende Maßnahmen und die Bereitstellung finanzieller Mittel zu fördern und betont, dass der allgemeine Arbeitsmarkt in allen Bereichen und für alle Menschen mit Behinderungen offen, inklusiv und zugänglich sein soll," heißt es in der Studie.
Die Studie führt folgenden Handlungsempfehlungen auf:
Um das Ziel eines inklusiveren Arbeitsmarkts in Zukunft besser zu erreichen, ist es notwendig, die Eintritte in das Werkstattsystem von vornherein zu minimieren und stattdessen die Möglichkeiten für den frühzeitigen Kontakt und den Übergang in das reguläre Ausbildungssystem oder den Arbeitsmarkt zu fördern. „Daher wären insbesondere Maßnahmen zu stärken und auszubauen, die vor dem Übergang in das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich einer WfbM oder bei anderen Leistungsanbietern angesiedelt sind,“ heißt es.
Anpassungen bei Berufsbildungsbereich und Bildungsabschlüssen
So sollte um die Durchlässigkeit zwischen WfbM sowie dem Ausbildungssystem und Arbeitsmarkt weiter zu verbessern, auch eine Umgestaltung des Berufsbildungsbereichs in Betracht gezogen werden. „Hierzu wäre eine Ausgliederung des BBB aus den WfbM bzw. dessen rechtliche Eigenständigkeit zu prüfen. Denkbar wäre, den Berufsbildungsbereich als eigenen Auftrag bzw. als eigenes Angebot in der bestehenden sozialrechtlichen Kostenträgerschaft (überwiegend der BA) zu verstehen. Außerdem wäre es eine Möglichkeit, den Berufsbildungsbereich in Form von aus WfbM ausgelagerten, inklusiv angelegten Bildungszentren zu konzipieren, die auch für andere Auszubildende mit Beeinträchtigungen zugänglich sind. Auf dem Weg in einen inklusiven Arbeitsmarkt ist es daher geboten, das bestehende Ausbildungssystem flexibler und passgenauer auf die Bedarfslagen unterschiedlicher Personengruppen abzustimmen.“
Zukunfts- und Leistungsfähigkeit von WfbM sichern
In der komplexen Gemengelage zwischen Arbeit, Rehabilitation, Inklusion und Bildung stehen Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) vor vielfältigen Herausforderungen. Bisherige gesetzliche Vorgaben betonen in der Praxis vor allem die Rolle der WfbM als Arbeitsstätte, wodurch die Aspekte der Inklusion und der Teilhabe an Bildung manchmal vernachlässigt werden. Hier ist es dringend erforderlich, dass der Gesetzgeber neue Initiativen und Anstrengungen unternimmt, um die unterschiedlichen Ziele und Anforderungen an WfbM genauer zu definieren, auszubalancieren und zu priorisieren.
Förderung von Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
Die Förderung von Übergängen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist ein zentraler Baustein in der Inklusion von Menschen mit Behinderungen. „Nach den Ergebnissen des Forschungsprojektes ist die Übergangsquote von 0,26% im Jahr 2015 lediglich auf 0,35% im Jahr 2019 gestiegen,“ heißt es in der Studie.
Existenzsichernde Entgelte für WfbM-Beschäftigte
Die vorliegenden Studienergebnisse, gestützt auf eine umfangreiche Datenbasis, verdeutlichen die unzureichende Transparenz und die mangelnde Existenzsicherung im aktuellen Entgeltsystem. "Das Entgeltsystem sollte zukünftig so ausgestaltet sein, dass eine Angewiesenheit auf Grundsicherungsleistungen bei einer Vollzeitbeschäftigung entfällt. Um die Transparenz eines zukünftigen Entgeltsystems zu erhöhen, sollte die Entgeltzusammensetzung und die Notwendigkeit von insgesamt drei Komponenten überprüft werden," heißt es in der Studie.
Stärkung von Inklusion und Teilhabe
Inklusion wird durch den Austausch und die Kooperation zwischen Unternehmen und WfbM ermöglicht und gefördert. Es handelt sich hierbei um einen reziproken Prozess. Eine denkbare Maßnahme zur Förderung der Inklusion wäre die Öffnung von WfbM, um Vorurteile und Berührungsängste abzubauen." Bereits jetzt gibt es hierfür erfolgreiche Modelle (z.B. das Modell Schichtwechsel), wie solche Begegnungen intensiviert und ausgeweitet werden können. Ein wesentlicher Baustein auf dem Weg in einen inklusiven Arbeitsmarkt muss zudem sein, auch die Berührungsängste bei den Unternehmensbelegschaften abzubauen, z.B. über Informationskampagnen, die Schaffung von Inklusionsbeauftragten in Unternehmen oder durch den Aufbau von Mentoring- und Buddy-Programmen" heißt es.
Die Studie finden sie hier.