Digital für alle – Digitale Teilhabe muss für alle gelten
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Am 19 Juni veranstaltet die Initiative „Digital für alle“ den ersten Digitaltag in Deutschland. Ziel ist, digitale Teilhabe quer durch alle Altersschichten zu fördern sowie Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung aufzuzeigen. Die Diakonie Deutschland ist Partner der Initiative und engagiert sich beim Digitaltag.
Digitalisierung erfasst bereits nahezu alle Lebensbereiche - und bietet große Chancen. Gerade die Kontaktbeschränkungen durch Corona haben gezeigt, dass Digitalisierung für mehr Teilhabe und gesellschaftliches Miteinander sorgen kann. "Wo Corona Gräben zieht, baut Digitalisierung Brücken", sagt Diakonie- Präsident Lilie. "Die große Bereitschaft, beispielsweise in Senioreneinrichtungen, neue digitale Wege zu gehen, hat Informations- und Kontaktwege eröffnet, die es vorher nicht gab." Darauf gelte es aufzubauen, ohne dabei Risiken wie Datenmissbrauch oder mangelnden Datenschutz außer Acht zu lassen. "Digitalisierung ist eine Lernaufgabe, die Zuversicht und Augenmaß erfordert", sagt der Diakonie-Präsident. Dafür brauche es Bündnisse und gute Beispiele, wie sie in den vielfältigen Aktionen des Digitaltages gezeigt werden.
"Als Diakonie wollen wir zu mehr digitaler Teilhabe und damit mehr Gleichberechtigung für alle Menschen beitragen", so Lilie. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik, ergänzt: "In der Corona-Krise wird deutlich, wie sehr Digitalisierung und soziale Fragen verknüpft sind. Sie hat zum Beispiel gezeigt, wie existentiell wichtig digitale Lern- und Kommunikationsprozesse für unsere Gesellschaft sind. Von Armut Betroffene haben aber oft keine ausreichende digitale Ausstattung. Kinder aus einkommensarmen Familien bleiben bei digitalen Lernprozessen außen vor. Darum braucht jedes Schulkind eine EDV-Grundausstattung und W-Lan-Zugang. Kitas, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen müssen technisch und personell so ausgestattet sein, dass jedes Kind die gleichen Chancen und Zugänge hat." Zugleich gehöre digitale Kompetenz dringend auf den schulischen Lehrplan. Medienkompetenz und sicherer Umgang mit digitaler Technik seien heute entscheidende Kriterien besonders für die berufliche Zukunft. "Diese Chance dürfen wir auch einkommensschwachen Familien nicht verwehren", so Loheide. "Digitale Teilhabe darf nicht vom Geldbeutel abhängen, sie muss für alle gelten."
„Jeder Mensch profitiert von Barrierefreiheit in der digitalen Welt!“, wirbt Petra Wontorra, Niedersächsische Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen
Ein Virus veränderte unseren Alltag sowie unser Berufsleben von einem Moment auf den anderen tiefgreifend. Die Nutzung technischer und digitaler Möglichkeiten ist wichtiger denn je. Die Veränderung stellt zwar viele Menschen vor Herausforderungen, doch genau diese Krise sollte als Chance genutzt werden, die Digitalisierung weiter voranzutreiben. Diese sollte dabei nicht als Technologie gesehen werden, sondern als gesellschaftlicher Wandel, denn die Gesellschaft verändert sich durch Digitalisierung.
„Dabei muss die Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht werden.“ appelliert Petra Wontorra, die Niedersächsische Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, „Webbarrieren behindern Teilhabe. Alle Menschen müssen sich selbstbestimmt und gleichberechtigt in der digitalen Welt bewegen können.“ Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen das Internet genauso handhaben können wie alle anderen Menschen auch.
Laut Studien nutzen Menschen mit Behinderungen – auch mit assistiven Technologien – durchschnittlich deutlich häufiger das Internet. Es dient dabei als Kommunikationsmittel, als Informationsquelle sowie zum Einkauf. Die digitalen Medien ermöglichen auch Zugänge zur öffentlichen Kommunikation und damit auch zur Teilhabe.
Digitale Barrierefreiheit hat Vorteile für alle: Beispielsweise kann bei hellem Sonnenschein der Kontrast von Texten die Lesbarkeit fördern oder in einer lauten Umgebung können Untertitel helfen, Videos besser zu verstehen. Die technischen Voraussetzungen für digitale Barrierefreiheit sind in gesetzlichen Vorgaben niedergeschrieben und werden dynamisch weiterentwickelt.
Die Digitalisierung bietet für Menschenrechte und politische Teilhabe Chancen, birgt aber große Herausforderungen und Gefahren. In dieser Einschätzung stimmten die Sachverständigen in der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zum Thema "Menschenrechte und politische Teilhabe im digitalen Zeitalter" am Mittwochnachmittag überein. Von welchen digitalen Instrumenten aber die größte Bedrohung ausgeht und wie Menschenrechte besser im digitalen Raum geschützt werden können, dazu variierten die Ansichten der geladenen sieben Experten deutlich.
Matthias Kettemann, Leibnitz-Institut-für Medienforschung, betonte, dass ganz grundsätzlich "alle Menschrechte online wie offline" gelten. Mit einem Unterschied: Um Menschenrechte online auszuüben, gebe es eine Voraussetzung - einen Internetzugang. Staaten seien daher gefordert, allen Menschen einen "menschenrechtskonformen Zugang" zu ermöglichen und "ganz konkrete Infrastrukturmaßnahmen" zu tätigen, mahnte der Rechtswissenschaftler mit Blick auf Deutschland. Zudem brauche es mehr Daten zur Internetnutzung und zu Diskriminierungen in der Internetnutzung. Ziel müsse sein zu verhindern, dass das Netz zu einem "Ausgrenzungssystem" werde. Verletzliche Gruppen dürften nicht genauso verdrängt werden, wie im öffentlichen Diskurs in der "Offline-Welt". Um Menschenrechte im Internet zu wahren - etwa das Recht auf Privatheit - brauche es angepasste Gesetze. "Ein Darknet-Gesetz ginge in die falsche Richtung", stellte Kettemann klar.
Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC), bestätigte dies. Der Begriff "Darknet" sei in Deutschland als Ort von Kriminalität "sehr negativ belegt". Aber in vielen Ländern außerhalb Europas stelle die "auch von westlichen Staaten zur Verfügung gestellte Infrastruktur" des Darknets die einzige Möglichkeit dar, anonymisiert zu kommunizieren oder Informationen ins Netz zu stellen, ohne mit Repressionen rechnen zu müssen, gab die Informatikerin und Sprecherin des CCC zu Bedenken. Die Möglichkeit, verschlüsselt Informationen zu teilen, nutzen zunehmend auch private Social Media-Unternehmen wie Facebook oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wie die britische BBC: Sie stellten Medienangebote ins Darknet, damit diese auch von Menschen in diktatorischen Staaten genutzt werden können.
Zara Rahman, stellvertretende Direktorin der Non-Profit-Organisation The Engine Room, führte in ihrer Stellungnahme aus, dass nicht nur Diktaturen, sondern auch Demokratien diverse Strategien verfolgten, um mithilfe digitaler Technik Menschenrechte zu verletzen. Als Beispiele nannte sie Social-Credit-Scoring oder die Massenüberwachung über "Meta- und Telekommunikationsinhaltdaten". Als eine "besonders beunruhigende Form" einer Überwachungstechnologie bezeichnete sie die biometrische Gesichtserkennung. Problematisch sei auch, dass es in den meisten Ländern bislang keine Gesetze zu ihrem Einsatz gebe, die deren Gefahrenpotenzial ausreichend in Betracht zögen. Dass sich nun amerikanische Unternehmen wie IBM aus dem Geschäft mit Gesichtserkennungssoftware zurückzögen, sei gut. Doch noch besser wäre es, wenn die Politik endlich Regeln für den Umgang mit diesen Technologien aufstellte, forderte Rahman.
Lena Rohrbach, Referentin für Digitalisierung, Wirtschaft und Rüstungskontrolle bei Amnesty International, ging noch einen Schritt weiter: Sie drängte auf ein "Verbot der Verwendung, Entwicklung, des Verkaufs und Exports von Gesichtserkennungssoftware zur Identifikation im öffentlichen Raum." Insgesamt äußerte sich Rohrbach besorgt über die zunehmend kleineren Spielräume für Menschenrechtsverteidiger weltweit. "Amnesty beobachtet die Entwicklung einer Art Instrumentenkasten digitaler Methoden und Techniken, die Regierungen gegen Zivilgesellschaften einsetzen", sagte sie. Dazu gehörten Internet-Shutdowns, Zensur von Webseiten und Social-Media-Plattformen, sogenannte Cyber-Crime-Gesetze, das Kriminalisieren von Verschlüsselungswerkzeugen und Massenüberwachung. Die nötige Spionagesoftware stamme nicht selten aus Deutschland und Europa, monierte Rohrbach. Deutschland müsse sich deshalb auf europäischer Ebene für eine bessere Exportkontrolle stark machen, so der Appell der Amnesty-Referentin.
Nighat Dad, geschäftsführende Direktorin der Digital-Rights-Foundation in Pakistan, lenkte den Blick auf die Lage in Südostasien. Hier seien bürgerliche Freiheiten nicht nur bedroht durch regressive Gesetze, sondern zunehmend auch durch den Einsatz von Überwachungstechnologien. Dennoch verwahrte sich die Sachverständige gegen einseitige Kritik: Der globale Süden werde oft angeprangert, aber auch europäische Länder würden ihren Maßstäben nicht gerecht, sagte Dad etwa mit Blick auf das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Dieses habe ein "Übermaß an staatlicher Macht und Regulierungsbefugnissen ermöglicht, die unter Umständen missbräuchlich gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung eingesetzt werden könnten."
Joachim Steinhöfel, Medienanwalt, teilte diese Ansicht: Er wies auf die Bedeutung der Meinungsfreiheit "als die freiheitliche Grundordnung konstituierendes" Grundrecht hin und kritisierte jede Einschränkung wie etwa durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz als verfassungswidrigen Eingriff. "Das Anliegen verfassungsfeindliche Ansichten zu verhindern, ist ebenso wenig ein Grund Meinungen zu beschränken, wie deren Wertlosigkeit oder Gefährlichkeit", zitierte Steinhöfel aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2018. "Es steht die fundamentale Frage im Raum, wer in einer offenen Gesellschaft legitimer Weise über wahre und falsche Meldungen entscheidet."
Kristin Shi-Kupfer, Mercator Institute for China Studies, verwies auf das Beispiel China: Die Lage dort zeige, wie wichtig die Verknüpfung von digitalen Technologien, Menschenrechten und politischer Teilhabe sei. "China ist aus Sicht seiner Regierung ein digitales Labor- und damit ein sehr lehrreiches Schaufenster für all den Missbrauch und die Bedrohung, die von digitalen Technologien ausgehen können." China propagiere beim Einsatz digitaler Technik vor allem das Argument "größerer Effektivität" etwa bei der Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung. Doch beim Ausbau der Überwachungskapazitäten auch im öffentlichen Raum gerieten gerade kritische Köpfe wie Rechtsanwälte und Journalisten schnell ins Visier. Shi-Kupfer warnte vor einer zunehmend systematischen Manipulation der internationalen öffentlichen Meinung durch China. Auch der Druck auch auf ausländische Unternehmen, Zensurmöglichkeiten einzubauen, werde künftig wachsen.
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung