Lauterbach will Elektronische Patientenakte ab Ende 2024 verpflichtend einführen
- Lesezeit: 6 Minuten

Nach dem willen des Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll jeder Krankenversicherte ab nächstes Jahr eine elektronische Patientenakte (ePA) erhalten. „Ende kommenden Jahres wird die elektronische Patientenakte für alle verbindlich“, sagte Lauterbach gegenüber „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAZ).
Bis zum Jahr 2025 sollen 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen. Bis Ende 2025 sollen 80 Prozent der ePA-Nutzer, die in medikamentöser Behandlung sind, über eine digitale Medikationsübersicht verfügen. Und bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden. Das sind konkrete Ziele einer Digitalisierungsstrategie für Gesundheit und Pflege, die Lauterbach vorgelegt hat.
Dazu erklärt Lauterbach: „Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. Das können wir nicht länger verantworten. Deshalb machen wir einen Neustart – erschließen die elektronische Patientenakte für alle, machen das elektronische Rezept alltagstauglich und erleichtern die Forschung auf Grundlage von Gesundheitsdaten. Moderne Medizin basiert auf Digitalisierung und Daten. Ihre Vorteile zu nutzen, macht Behandlung besser.“
Die Digitalisierungsstrategie hat das Bundesgesundheitsministerium über mehrere Monate gemeinsam mit Patientenvertretern und Akteuren des Gesundheitswesens entwickelt. Sie soll Orientierung dafür bieten, wie sich Versorgungsprozesse, Datennutzung und Technologien bis Ende des Jahrzehnts weiterentwickeln müssen, um Gesundheitsversorgung zu verbessern. Zwei konkrete Gesetzesvorhaben folgen dieser Idee: Das Digitalgesetz, das den Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen verbessert. Und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, mit dem Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen werden.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat das Konzept von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zur Digitalisierung im Gesundheitswesen begrüßt und eine klare Kommunikation dazu gefordert. Holetschek betonte am Donnerstag: „Wir brauchen nicht weniger als einen Kick-Start im Gesundheitswesen – einen Turbo für die Digitalisierung. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass Lauterbach jetzt handelt. Digitalisierung in Gesundheit und Pflege ist aber ein Staffellauf - und der Bundesgesundheitsminister vergisst, Bürgerinnen und Bürger und vor allem die Leistungserbringer mitzunehmen.“
Der Minister forderte: „Der Ausbau der elektronische Patientenakte und die Widerspruchslösung für die Patientinnen und Patienten ist gut, aber die Bundesregierung muss das Vorhaben jetzt umfassend und verständlich kommunizieren und erklären. Ein Verweis auf eine Homepage genügt nicht. Ich würde mir wünschen, dass zum Beispiel eine Hotline und eine zentrale digitale Unterstützungsstelle eingerichtet werden, bei der sich Versicherte zur elektronischen Patientenakte informieren können. Der Erfolg der elektronischen Patientenakte wird maßgeblich davon abhängen, dass die Anwendung leicht verständlich und pragmatisch gestaltet ist.“
Holetschek ergänzte: „Der Bundesgesundheitsminister muss jetzt intensiv mit den Ärztevertretern sprechen. Denn nur mit Unterstützung in den Praxen vor Ort kann das Vorhaben gelingen. Die Befüllung und Kuratierung der ePA kann nicht ohne weitere Überlegungen den Praxisteams zugemutet werden, die ohnehin am Limit arbeiten. Die Frage, wie bisherige Patientendaten in die Akte übertragen werden, muss praxisorientiert gelöst werden, beispielsweise mit einer Schnittstelle zu den bestehenden Praxisverwaltungssystemen, um Daten direkt übertragen zu können. Wichtig dabei ist aus meiner Sicht auch, die elektronische Patientenakte in Einklang zu bringen mit dem Vorschlag der EU für den Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS). Bayern hat dafür schon frühzeitig konkrete Vorschläge zum zukünftigen Umgang und zur Nutzung von Gesundheitsdaten in Deutschland vorgelegt. Dabei gilt es vor allem, den Gesundheitsdatenschatz datenschutzkonform, also Datenschutz und Datenschatz gemeinsam fürs Patientenwohl zu nutzen.““
Der Minister sagte: „Digitalisierung alleine ist kein Selbstzweck und darf eben nicht als Zusatzbelastung vor allem auf der Versorgungsseite empfunden werden. Lauterbach hat die Chance verpasst, neben einem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz auch noch ein Praxiszukunftsgesetz – analog zum Krankenhauszukunftsgesetz – auf den Weg zu bringen, das gerade im niedergelassenen Bereich Ärztinnen und Ärzten hilft, die digitale Transformation tatsächlich in der Fläche der ambulanten Versorgung voranzubringen. Die Digitalisierung muss den Menschen das Leben vereinfachen. Dafür gilt es zugleich, die Gesundheitskompetenz der Menschen stärken. Telemedizin in Gesundheitskiosken bringt uns dem Ziel einer guten Versorgung meiner Meinung nach nicht weiter.“
Holetschek appellierte: „Lauterbach muss nachschärfen! Wie soll bis 2024 das E-Rezept flächendeckend eingeführt werden, ohne dass zuvor die digitale Identität aller Bundesbürgerinnen und -Bürger reibungslos realisiert ist? Genauso unklar ist, wie die angekündigten Anlaufstellen für assistierte Telemedizin aufgebaut werden. Zentral für mich ist: Die digitale Transformation im Gesundheitswesen muss patientenorientiert sein. Und die trägen Entscheidungsstrukturen auf Bundesebene müssen schnellstmöglich grundlegend verbessert werden.“