Ausgleichsabgabe - Wo ein Wille, da ein Weg
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Der Gesetzgeber sieht vor, dass Unternehmen ab bestimmter Anzahl von Beschäftigten, dazu verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil der Arbeitsplätze mit Menschen zu besetzen, die eine Behinderung haben. Erfüllt ein Arbeitgeber diese Vorgaben nicht, wird dieser zu einer Ausgleichsabgabe verpflichtet, die aber im Verhältnis recht gering ist und zwischen 140 und 360 Euro pro nicht besetzten Arbeitsplatz liegt.
Als Behinderte finde ich die Ausgleichsabgabe nur fair, betont die Rollstuhlfahrerin Natascha Höhn.
Unternehmen, die keine Behinderten einstellen, sollen zahlen. In dem Moment aber, wo eine Ausgleichsabgabe zum ‘Schlupfloch’ verkommt und als solches missbraucht wird, ist Vorsicht angebracht. Und es ist ärgerlich. Sehr ärgerlich. Und absolut nicht im Sinne des Erfinders.
In Zeiten von Fachkräftemangel ist es geradezu lächerlich, dass so viele arbeitswillige Behinderte arbeitslos sind oder in Behindertenwerkstätten billig abgespeist werden. Nix gegen den ehrenhaften Auftrag von Behindertenwerkstätten.
Was kann man tun, um diesen Missstand abzumildern?
- Barrieren im Kopf abbauen
- Flexibilität
- Kommunikation
- Vertrauen
- Information
Barrieren im Kopf
Barrieren. Jeder hat sie. Meist unbewusst. Führungskräfte haben sie. Behinderte haben sie - auch.
Gern genommenes Vorurteil: ‘Behinderte sind keine vollwertigen Arbeitskräfte.’ Behinderte denken das auch oft von sich selbst. Schließlich leben sie in einer Gesellschaft mit großen Berührungsängsten, die aus Behinderung ein Tabuthema macht.
Wie baut man Barrieren im Kopf ab?
- Schritt: anerkennen, dass man Barrieren im Kopf hat
- Schritt: eigene Gedanken beobachten (und sich nicht entmutigen lassen)
- Schritt: Gedanken durch neuen Gedanken ersetzen (manche nutzen Affirmationen) und täglich (möglichst mehrmals) wiederholen. Post-it’s an prominenter Stelle helfen der Erinnerung. Beispiel: Statt ‘Behinderte sind keine vollwertigen Arbeitskräfte’ der Gedanke ‘Behinderte haben ihr eigenes Timing und bringen Fähigkeiten wie hohe Frusttoleranz, Flexibilität und Resilienz mit, die ich sonst kaum finde.’
Flexibilität
Beide Seiten sollten bereit sein, flexibel zu sein. 0815 wird wahrscheinlich nicht gehen. Natürlich erfordert diese Flexibilität mehr Zeit. Könnte ein Problem werden, wenn die Priorität auf einer 0815-Lösung liegt.
Flexibilität erfordert auch die Bereitschaft, Zwischenlösungen zu akzeptieren: machbar statt perfekt.
Kommunikation
Beide Seiten sollten miteinander reden…über das, was gut läuft und ist. Das könnte ein ‘best practise’-Beispiel für die eigene Zukunft und für andere Betriebe sein.
Und man sollte offen über das reden, was nicht so gut läuft und gemeinsam überlegen, welche Schritte notwendig sind, um eine Verbesserung zu erzielen.
Es gilt: keine Entscheidung über …, ohne….
Vertrauen
Vertrauen ist so ‘ne Sache. Leichter gesagt, als getan. Einmal gebrochen ….
Eigentlich will man vertrauen, aber die innere Stimme sagt: ‘Sei vorsichtig. Vertrauen ist gefährlich. Vertraue nicht!’
Wie wäre es mit Vorsicht u n d Vertrauen? Warum das Kind direkt mit dem Bade ausschütten? Warum direkt denken, dass man nicht gleichzeitig vorsichtig sein u n d vertrauen kann?
Vertrauen erfordert eine gewisse Offenheit und ist Voraussetzung für ehrliche Kommunikation.
‘Misslungen’ ist nur eine Bewertung, die im Kopf stattfindet. Der Versuch zählt.
Information
Schon mal was von ‘Inklusionsbetrieb’ gehört? Gibt es. Immer mehr. Es gibt auch finanzielle Förderungen. Und Beratung - kostenlos. Wissen die wenigsten und fürchten einen Bürokratiedschungel. Wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht.
Das Problem: wenn man von vorneherein etwas befürchtet, trifft es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein; ist ein bisschen wie selbsterfüllende Prophezeiung.
Will sagen: Information über vorhandene Möglichkeiten sind wichtig, um das Bewusstsein für Möglichkeiten zu erhöhen. Je häufiger nachgefragt wird, je öfter beraten wird, umso effizienter werden die Ergebnisse.
Berührungsängste gibt es auf beiden Seiten. Und beide Seiten haben die Verantwortung, diese Berührungsängste abzubauen. Es ist niemals damit getan, dass eine Seite sich bewegt. Es erfordert oft Mut und die Akzeptanz von Fehlschlägen, einen Weg zu gehen.
Das gilt nicht nur für die nicht-behinderten Menschen in Unternehmen, es gilt auch für behinderte Menschen.
Autor: Natascha Höhn