Energieexpertin sieht "fossilen Energiekrieg"
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Die Energieexpertin Claudia Kemfert warnt nach den vermutlich durch Sabotage herbeigeführten Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 vor künftigen Anschlägen auf die Energieversorgung in Europa. "Wir sind in einem fossilen Energiekrieg. Die Mittel, die da gewählt werden, sind drastisch", sagte Kemfert im Fernsehsender phoenix.
Den von vielen EU-Staaten geforderten Gaspreisdeckel sieht die Energie-Ökonomin kritisch. "Ich halte das für nicht so klug. Man sollte nicht Preise deckeln, sondern Kosten." Haushalten und Unternehmen, die in Not gerieten, müsse man von staatlicher Seite aus helfen, dies aber auch mit der Aufforderung zu Einsparungen verbinden und dann Prämien zahlen. Ein europäischer Gaspreisdeckel würde die Probleme noch verschärfen. "Wenn jeder in Europa in den Energiemarkt eingreift, wird es immer schwieriger und gefährlicher. Dann kann es zu Engpässen oder noch größeren Verwerfungen kommen", so Kemfert. Außerdem seien Preis-Deckelungen mit enormen Kosten verbunden. "Dann kommen 30, 50 oder sogar 100-Milliarden-Euro-Rechnungen heraus."
Die Einhaltung der Schuldenbremse hält Kemfert aktuell für "unrealistisch", da die Herausforderungen für den Staat enorm seien. Wie im Rahmen der Pandemie könne man diese aussetzen und später wiedereinführen. "Jetzt haben wir einfach zu viel Druck." Eine Pleitewelle deutscher Unternehmen aufgrund der Energiekrise könne vermieden werden. "Das hängt davon ab, welche Wirtschaftshilfen gemacht werden." Einen Gas- oder Stromnotstand in Deutschland schloss die Energie-Expertin aus. Die Gasspeicher seien gut gefüllt. "Wir sind im Plan und kommen gut durch den Winter", zeigte sie sich überzeugt.
Den angesichts der Energiekrise von Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Auge gefassten Weiterbetrieb von zwei Atomanlagen bewertete Kemfert kritisch. Der dafür betriebene enorme Aufwand sei nicht zielführend. "Ich halte den Schritt für nicht sinnvoll und würde es jetzt auch nicht machen. Wir brauchen es aus energiewirtschaftlicher Sicht auch nicht." Sorgen bereitet Kemfert jedoch, dass sich durch die aktuelle Krise der Ausbau der erneuerbaren Energien verzögern könnte. "Es ist die Gefahr da, dass es auf die lange Bank geschoben wird. Mir fehlt das Tempo und ein Notfallplan für erneuerbare Energien."