Projekt „ReGe Pflege“ rückt die Prävention in der häuslichen Pflege in den Fokus
- Lesezeit: 6 Minuten
Für ambulant gepflegte Menschen werden mit dem Projekt „ReGe Pflege - Regionales Gesundheitsnetz für Pflegebedürftige Daheim“ Präventionsstrukturen geschaffen und gesundheitsfördernde Maßnahmen etabliert.
In drei Modellregionen erprobt die AOK Rheinland/Hamburg mit regionalen Partnern neue gesundheitsfördernde Wege in der Pflege. Ziel ist es, Menschen möglichst lange und selbstständig im häuslichen Umfeld zu halten.
Deutschland wird immer älter. Die gestiegene Lebenserwartung von Frauen und Männern sowie ein steigender Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung stellen unsere Gesellschaft und das Gesundheitssystem vor Herausforderungen. Mit dem Alter nimmt das Krankheitsrisiko zu und auch die Wahrscheinlichkeit, auf Pflege angewiesen zu sein. Im Jahr 2021 waren 1,2 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen pflegebedürftig. Davon leben rund 80 Prozent in der eigenen Häuslichkeit. Bis 2050 wird die Zahl der Pflegebedürftigen nach Einschätzung des Landesbetriebs Information und Technik (IT.NRW) um 30 Prozent steigen – dafür braucht es neue Strukturen und Lösungen. Das Modellprojekt „ReGe Pflege“, das die AOK Rheinland/Hamburg gemeinsam mit der IGES Institut GmbH und dem Beratungsunternehmen MA&T Sell & Partner GmbH startet und durch einen Experten-Beirat begleiten lässt, ist eine davon.
Ab Januar 2025 wird in drei Pilotregionen gestartet: Stadt Aachen, Kreis Euskirchen und Kreis Wesel. Auf Pflege angewiesene Menschen, die mit Unterstützung (Pflegegrad 1-3) in der eigenen Häuslichkeit leben und älter als 60 Jahre sind, werden dann stärker von Prävention und Gesundheitsförderung profitieren, damit sie möglichst lange selbstständig, mobil und gesund bleiben.
"Der größte Teil der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, wohnt im häuslichen Wohnumfeld und wird von Familienangehörigen, nahestehenden Personen und häufig auch in Zusammenarbeit mit Dienstleistern der ambulanten Pflege betreut. Angesichts der demographischen Entwicklung wäre eine angemessene Pflege, ohne dieses private und familiäre Engagement wohl nicht zu gewährleisten“, sagt Sabine Deutscher, Mitglied des Vorstands der AOK Rheinland/Hamburg. „Solange ein gewisses Maß an Selbstständigkeit besteht und der Alltag mit dieser Unterstützung gemeistert werden kann, bieten gesundheitsfördernde Maßnahmen eine große Chance, die Lebensqualität der Menschen zu erhalten oder sogar zu verbessern. Das Projekt „ReGe Pflege“ ergänzt unser bestehendes Engagement in der Prävention für Pflegepersonen, pflegende Angehörige und in der stationären Pflege. Uns ist es ein besonderes Anliegen auch in dieser Lebensphase ganzheitlich zu agieren und der Gesundheitsförderung einen besonderen Stellenwert einzuräumen. Durch einen gesundheitsbewussten, bewegten und ausgeglichenen Alltag fördern wir gesundes Leben und Altern.“
„Allerdings sei es eine besondere Herausforderung, die Menschen in der häuslichen Pflege zu erreichen“, so Dr. Laura Elgeti von MA&T. Das Konzept der AOK Rheinland/Hamburg sieht daher vor, dass Pflegebedürftige durch Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren erreicht werden. Dies können z. B. Pflege- und Seniorendienste, Personen in der (Pflege-)Beratung, aber auch Trainerinnen und Trainer im Sportverein oder Ärztinnen und Ärzte sein. „Über diese Personen soll das Thema Gesundheitsförderung zur Zielgruppe getragen und dafür sensibilisiert werden, dass man auch im hohen Alter und bei Pflegebedarf Selbststänigkeit und Lebensqualität fördern und erhalten kann“, ergänzt Dr. Julia Wolff vom IGES Institut.
Im Herbst dieses Jahres beginnt die Vorbereitung in den Pilotregionen. Es werden Steuerungsgremien gebildet, Netzwerke geknüpft und Ist-Analysen erstellt, um Ansatzpunkte und Angebote bzw. Angebotslücken zu identifizieren und Multiplikatoren zu gewinnen. Danach werden für die jeweilige Region passende Ziele und Realisierungspläne erarbeitet. Ab Januar 2025 soll die Umsetzung beginnen.
Ansatzpunkte zur Prävention in der ambulanten Pflege gibt es viele: körperliche Aktivität, kognitive Ressourcen, psychosoziale Gesundheit, Prävention von Gewalt gegen Pflegebedürftige – häufig auch eine Kombination. So kann die Teilnahme an einem Bewegungskurs der Erhaltung von Kraft und Gleichgewicht dienen und zugleich einen Beitrag zur psychosozialen Gesundheit leisten, da sie Einsamkeit entgegenwirkt und das Selbstvertrauen stärkt. Dabei sollen sowohl aufsuchende Angebote – also Maßnahmen in der Häuslichkeit – unterbreitet werden als auch Teilhabe durch Angebote außerhalb der Häuslichkeit gefördert werden.
Eigene Häuslichkeit statt Pflegeeinrichtung
Nach Einschätzung der Gesundheitskasse könnte das neue Angebot für rund 65.000 Menschen mit Pflegebedarf in den Pflegegraden 1 bis 3 in den Pilotregionen interessant sein. „Wir sind zuversichtlich, dass das Projekt ‚ReGe Pflege‘ auf breite Akzeptanz stoßen wird. Umfragen und Studien zeigen, dass sich die meisten Menschen wünschen, im Alter möglichst lange selbstbestimmt zu Hause leben zu können, unterstützt von einer vertrauten Person und gegebenenfalls durch einen Pflegedienst. Wenn es gelingt, dass mehr Menschen dies länger und in besserer Gesundheit tun können, ist das sowohl für die Einzelnen als auch für die Gesellschaft insgesamt ein Gewinn“, betont Dr. Freya Füllgraebe, Abteilungsleiterin Gesundheitsförderung bei der AOK Rheinland/Hamburg.