Armutsbericht der Bundesregierung: VdK kritisiert „extrem ungerechte Vermögensverteilung“
- Lesezeit: 3 Minuten
Der Entwurf des Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt auf das Geringverdiener und schlechter Qualifizierte besonders unter der Corona-Pandemie leiden. Dabei haben sie in Deutschland nur geringe Aufstiegschancen. So schrumpft die gesellschaftliche Mitte: Dabei schaffen von viele von ihnen den Sprung nach oben, jedoch rücken die Schwächeren kaum nach.
Dabei trifft die Corona-Pandemie vor allem die unteren Einkommensschichten. Dieses geht aus dem Entwurf des 6. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung hervor, der der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. „Danach mussten bis Ende August 2020 bereits 15,5 Millionen Haushalte in Deutschland Einkommenseinbußen hinnehmen. Darunter zu leiden hatten laut dem Regierungsbericht vor allem "Gering- und Normalverdiener".
Verena Bentele, die Präsidentin des VdK teilt dazu mit:
„In Deutschland gibt es eine deutliche soziale Schieflage. Diese wird aktuell durch die Corona-Pandemie noch weiter verstärkt. Menschen aus den oberen Einkommensschichten konnten in der Vergangenheit Rücklagen bilden, von denen sie in der Krise profitieren. Im Gegensatz dazu müssen Geringverdiener, Arbeitslose, Erwerbsminderungsrentner und Menschen mit Behinderungen das wenige Geld, das ihnen zur Verfügung steht, nun auch noch für Schutzmasken, Corona-Selbsttest und Desinfektionsmittel ausgeben. Das darf nicht sein. Der VdK fordert deshalb unter anderem einen monatlichen Corona-Zuschlag von 100 Euro für Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung.“
Der Regierungsbericht, der noch nicht offiziell veröffentlicht wurde, stellt außerdem fest, dass aus der Armut heraus die Aufstiegschancen sehr gering sind. Bentele fordert: „Die Regierung muss endlich Maßnahmen treffen, um soziale Mobilität und Aufstiegschancen zu verbessern. Wenn das nicht geschieht, verfestigt sich die soziale Spaltung. Um zu verhindern, dass die Gesellschaft weiter auseinanderdriftet, brauchen wir für arme und einkommensschwache Menschen mehr Unterstützung. Höhere Regelsätze in Hartz IV und Grundsicherung, höheres Kurzarbeitergeld und die Verlängerung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld sind dringend notwendig, um die Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen.“
In dem Regierungsbericht ist von einer Stärkung der Ränder die Rede. Es gibt immer mehr Reiche. Und gleichzeitig wächst die Gruppe der Armen. Bentele: „Die Vermögensverteilung ist extrem ungerecht und hat in vielen Fällen nichts mehr mit der eigenen Leistung zu tun, sondern ergibt sich aus Geldkonzentration wegen Erbschaften und Gewinnen aus Finanzgeschäften. Hier kann dauerhaft nur mit einer gerechten Steuerpolitik entgegengewirkt werden.“
Den Folgen der Corona-Krise soll kurzfristig mit einer Vermögensabgabe begegnet werden. Bentele: „Nun müssen die durch Corona verursachten Kosten gerecht verteilt werden. Deshalb fordert der Sozialverband VdK eine einmalige Vermögensabgabe. Nur Menschen und Betriebe mit großem Vermögen sollen herangezogen werden. Nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung wäre von der Vermögensabgabe betroffen. Doch der Effekt wäre enorm, wir sprechen von zusätzlichen Steuereinnahmen im Milliardenbereich.“
Katrin Göring-Eckardt (Grünen), Fraktionsvorsitzende erklärt zum 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung:
„Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich und die Erfahrung von immer mehr Menschen, in der Krise hängen gelassen zu werden, ist Gift für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dass die Verschärfung der sozialen Lage Jahr um Jahr als Bagatelle hingenommen wird, ist eine folgenschwere politische Fehlentscheidung. Die soziale Ungleichheit muss endlich wirksam und gezielt bekämpft werden.
Wo sich Ungleichheiten bereits in eine Gesellschaft gefressen haben, müssen Menschen mit wenig Einkommen gezielt unterstützt und neue Chancen geschaffen werden. Deswegen brauchen wir besonders jetzt ein Kurzarbeitergeld, mit dem niemand unter das Existenzminimum fällt, direkte Hilfen für Solo-Selbständige und einen verlässlichen Krisenaufschlag für die Menschen, die von Hartz-IV-Regelsätzen leben müssen.
Die Krise hat uns spüren lassen, wie zentral der Schutz vor existenziellen Nöten und der gelebte Zusammenhalt sind. Wir müssen unsere sozialen Systeme so anpassen, dass sie den Menschen besonders in Umbrüchen Sicherheit und Halt geben, anstatt zuzulassen, dass die Gesellschaft weiter auseinanderdriftet. Dass diese Aufgabe zwischen alle Ministerien fällt, darf keine Ausrede sein.“
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung