Profis bei Special Olympics
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Freude kann ansteckend sein. Dreimal trat Stefanie Drescher bei diesen Weltspielen in der Finalrunde auf die Tatami. Dreimal gewann sie. Und jedes Mal sprang sie nach ihrem Sieg wie ein Gummiball in die Luft, und die Halle feierte sie lautstark. „Ich habe mich riesig gefreut. Und dann springe ich eben und juble“, sagt sie und strahlt. Die Unterstützung durch ihre Eltern, ihren Bruder und ihre gesamte Judoka-Gruppe hat sie natürlich stimuliert. Kommt da vielleicht auch Druck auf, jetzt etwas Besonderes leisten zu müssen? “Nö“, sagt Drescher trocken. „Das blende ich einfach aus. Es ist ja mein Kampf. Ich habe nur mal kurz geguckt, als du etwas gesagt hast“, wendet sie sich an ihre Trainerin Marina Müller, die neben ihr steht. „Das war ganz toll“, meint Müller. „Ich habe es wirklich geschafft und konnte Steffi im Kampf was sagen. Sie hat zugehört und das dann auch umgesetzt. Es war super“, sagt Müller begeistert. Es ging darum, im Kampf auch mal kräftig am Arm der Gegnerin zu ziehen, um sie so vielleicht aus dem Gleichgewicht zu bringen und so einen Wurf ansetzen zu können.
Die Freude über den geglückten Wettkampftag ist beiden anzusehen. Drescher blieb damit in der Erfolgsspur vom Vortag. Gleich fünf deutsche Goldmedaillen hatte es da gegeben. Kein Wunder, dass die ganze Gruppe auf Wolke sieben auch durch den nächsten Tag schwebte. Zwar geht es bei Special Olympics vor allem um die Aspekte von Teilnahme und Zusammensein. Der sportliche Maximalerfolg steht nicht so sehr im Mittelpunkt wie zum Beispiel im olympischen Sport. Unwichtig ist Erfolg aber auch nicht. Mitunter wird auch schwer darauf hingearbeitet.
In der zehnköpfigen Judo-Delegation (acht Athlet*innen, zwei Trainer*innen) sind vier Berufsjudoka, die wie Stefanie Drescher allesamt von der karitativen Stiftung der früheren Goldschmied-Unternehmer Paul und Katharina Kraemer mit Wohnung und Stipendium unterstützt werden. „Ich habe fünf Mal die Woche Training, montags sogar zweimal. Wir machen Techniktraining, aber auch Ausdauer und Kraft“, erklärt Drescher. Volles Programm also. Und nach Berlin zu den Special Olympics World Games kam sie auch mit einem festen Vorsatz: Die Goldmedaille holen!
„Stefanie wollte ihren Medaillensatz komplettieren. Silber und Bronze brachte sie schon von den Weltspielen in Abu Dhabi mit“, erzählt Trainerin Müller. Seit damals kennt sie die Athletin. „Ich bin ja nicht ihre Heimtrainerin. Ich habe sie vor vier Jahren auf den Weltspielen begleitet und jetzt wieder auf den Weltspielen hier. Und da gibt es einen sehr, sehr großen Unterschied. Der Berufssport, den sie macht, hat sich unglaublich positiv auf sie ausgewirkt, auch auf das Sozialverhalten“, sagt Müller. Drescher sei noch viel umsichtiger geworden. „Sie geht viel mehr auf andere Personen zu, lässt sich auf sie ein und kann sich von Themen, die für sie jetzt zentral sind, auch wieder lösen, um mehr auf andere einzugehen. Das ist eine tolle Entwicklung. Und sie hat auch einen unglaublichen Teamgeist entwickelt“, so Müller.
Das kann man so sicher nicht planen. Aber es ist ein Ergebnis von Sport, vom gemeinsamen Trainieren und gemeinsamen Wachsen. Drescher bekommt die Zuwendung zu anderen ja auch wieder zurück, sei es als Beifall und Anfeuerungsrufe in der Judo-Halle im Messegelände – die übrigens so voll war, dass sich eine lange Schlange von Wartenden draußen bildete. Oder sei es, dass sie ausgewählt wurde, beim Fackellauf der Olympischen Flamme von Athen nach Berlin auch für ein paar Kilometer mitzumachen. Es sind bleibende Erlebnisse, wie auch die Weltspiele selbst. Für die nächsten Jahre möchte Drescher noch weiter Sport treiben. „Vielleicht mache ich später mal etwas anderes. Aber erst mal will ich nur meinen Sport machen“, sagt sie. Natürlich am liebsten in Frechen bei der Gold-Kraemer-Stiftung. Dort lebt schließlich auch ihr Freund. „Er war früher Fußballer. Ich habe ihn auch als Fußballer kennengelernt. Jetzt hat er aufgehört und arbeitet als Pferdepfleger. Dort hole ich ihn manchmal von der Arbeit ab“, sagt Drescher.
Ihr Leben wirkt erfüllt, mit dem Sport und auch jenseits des Sports. Nur eines hat sie noch nicht geschafft. Während viele Berufssportler viel Aufmerksamkeit darauf legen, ihre Trophäen und Medaillen auch richtig zu präsentieren, in fein geputzten Glasvitrinen etwa oder schön gerahmt hinter Glas an der Wand, hat Drescher es noch nicht mal fertig gebracht, ihre Medaillen von den früheren Weltspielen gut zu zeigen. „In der WG habe ich so ein Ding, wo alle Medaillen drauf hängen. Nur die Medaillen von den Weltspielen sind leider zu schwer. Die muss ich erst noch mit dem Nagel an die Wand hauen. Sie liegen grade in der Schublade. Aber dann werde ich sie wohl zusammen mit der goldenen an die Wand klopfen“, verspricht sie. Da wartet also noch schöne Arbeit auf sie in Frechen bei Köln.
Autor: Tom Mustroph