Special Olympics - Kati Wilhelm: „So offen, emotional und echt“
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Kati Wilhelm wohnt in Steinbach-Hallenberg, ein paar Kilometer von Oberhof entfernt. Die dreimalige Olympiasiegerin im Biathlon hat im Vorfeld der Special Olympics Winterspiele mit den Thüringer Langläufer*innen trainiert und bei der Eröffnungsfeier in Oberhof die Flagge in die Arena getragen.
Wie war denn das Training mit den Special Olympics Langläufer*innen?
Das hat richtig Spaß gemacht. Sie waren so herzlich, haben mich mit tosendem Applaus empfangen und gleich gedrückt und geherzt. Sie sind so offen, emotional und echt. Da fühlt man sich total wohl. Man muss nur aufpassen, dass man nicht direkt alles über sich erzählt, weil sie ja auch gleich so viel erzählen.
Was haben Sie bei dieser Trainingseinheit gemacht?
Wir sind zusammen eine Runde gelaufen. Dabei haben wir ein bisschen Technik gemacht, zum Schneepflug geübt, also so essenzielle Sachen, die man braucht, um heil über die Strecke zu kommen. Aber mir ging`s vor allem darum, dass sie Spaß haben. Für mich ist das auch beim Training mit Kindern wichtig, dass ich ihnen den Spaß am Sport vermittle und nicht verderbe. Wir achten sehr darauf, dass sie gerne zum Training kommen. Und das ist natürlich auch für die Special Olympics Athlet*innen wichtig. Aber auch, dass sie stolz darauf sind, wenn sie etwas gelernt haben oder einfach zwei Runden am Stück durchgelaufen sind. Schön ist, wenn sie am Ende des Tages sagen können, ja das habe ich super gemacht.
Sie trainieren ja auch Kinder im Verein. Gibt es da große Unterschiede?
Ich musste natürlich erst mal schauen, was sie schon können. Die Voraussetzungen sind ja ganz unterschiedlich. Allerdings kenne ich das auch von den Kindern, die zum Training kommen. Der eine kann schon sehr viel, der andere nicht. Da muss man sich darauf einstellen und manchmal ganz von vorne anfangen.
Sie sind hier nicht nur zu Hause, sondern auch sehr bekannt und beliebt. Als Sie mit drei anderen die Flagge bei der Eröffnungsfeier hereingetragen haben, war der Jubel riesig. Wie wichtig ist es für Sie, mit Ihrem Namen dazu beizutragen, die Bewegung Special Olympics bekannt zu machen?
Ich finde es wichtig, Menschen mit geistiger Behinderung in der Gesellschaft sichtbar zu machen. Das sind sie ja oft nicht. Und hier zeigen sie, dass sie auch Sport können, dass sie das gut können und auch Ehrgeiz entwickeln. Es ist ganz ähnlich wie bei den Para-Athlet*innen, die ja einmal in vier Jahren in den Fokus rücken. Dabei ist Inklusion ein kontinuierlicher Prozess, bei dem Sport eine so wichtige Rolle spielen kann. Zu zeigen, dass alle Teil der Gesellschaft sind und eine Aufgabe haben, bei der sie sich weiterentwickeln können. Und dass Menschen mit geistiger Behinderung das genauso können wie andere, vielleicht auf einem anderen Level, aber dass sie Fortschritte machen können.
Für Menschen mit geistiger Behinderung gibt es noch immer viel zu wenige Sportmöglichkeiten. Es gibt zum Beispiel wenige Vereine, in denen sie trainieren können. Was sind dazu Ihre Erfahrungen?
Dass das nicht so einfach ist, liegt auch daran, dass viele Vereine personell einfach unterbesetzt sind. Ich sehe es ja bei uns. Wir haben sehr viele Kinder zu betreuen in großen Altersspannen. Dabei sind wir zu zweit, und das geht eigentlich gar nicht bei so einem Training. Und natürlich ist es dann schwierig, Menschen mitzubetreuen, die eine andere Ansprache oder auch andere Aufgaben brauchen. Das ist tatsächlich ein Problem. Da bräuchte man jemanden, der sich speziell darum kümmern kann.
Da gäbe es also noch viel zu tun. Es wäre sicherlich mehr möglich, aber man muss es halt angehen. Ich weiß, dass es bei uns ein paar Vereine gibt, die auch Para-Sportler haben, da sind wir auch dran. Im Langlauf haben wir einen Sehbehinderten, der die Wettkämpfe mitläuft, weil er zurzeit noch genug sieht, er fährt praktisch zweigleisig. Wir haben das schon auf dem Schirm, dass Sportler mit Behinderung genauso Möglichkeiten haben sollten, Sport zu machen. Der nächste Schritt wäre dann, Menschen mit geistiger Behinderung auch etwas anzubieten. Wir sind da offen, aber die Umsetzung ist nicht einfach.
Auch der Zugang ist nicht einfach. In der Regel sind die Menschen ja in den Werkstätten. Die Möglichkeit in einen Sportverein zu kommen, ist dann nicht so groß. Eine Chance wäre sicher, wenn die Einrichtungen Kooperationen mit Vereinen eingehen würden.
Wie wichtig sind in diesem Zusammenhang diese Winterspiele für die Region?
Sehr wichtig. Das sensibilisiert die Leute und zeigt ihnen, dass Menschen mit geistiger Behinderung auch Sport treiben. Und dass es so viel Laune macht, ihnen dabei zuzuschauen. Zu sehen, wie sie sich freuen, wie sie sich gegenseitig zujubeln. Es hilft auch ganz sicher, Berührungsängste abzubauen.
Die ja durchaus vorhanden sind. Sicher gibt es gewisse Unsicherheiten. Ich weiß noch, wie es mir ging, als ich zum ersten Mal mit Para-Athleten trainiert habe. Ich habe überlegt, was sagt man, wie spricht man sie an, was darf man sie fragen. Aber man merkt dann ganz schnell: Alles kein Problem, sie sind total offen, genauso wie Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Deshalb ist es so wichtig, dass man sowas auch mal vor der Haustür hat. Es wäre doch schön, wenn man sagen würde, man geht mit einer Schulklasse da hin und schaut sich das an. Wir sind in Steinbach-Hallenberg, das ist zwölf Kilometer von Oberhof weg, aber bei uns in den Schulen ist nichts angekommen. Natürlich müsste man das planen, nicht nur die Organisation, sondern auch die Kinder darauf vorbereiten, was sie da erwartet. Aber das könnte man ja in der Schule langfristig thematisieren, und dann zum Abschluss zu so einer Veranstaltung fahren. Könnte eine Super-Sache werden.