Versicherte bleiben allein zu Haus: Unabhängige Patientenberatung kritisiert, dass Krankenkassen trotz klarer Bestimmungen keine Haushaltshilfen vermitteln
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Trotz eindeutig anderslautender Bestimmungen werden hilfsbedürftige Ratsuchende von ihrer Krankenkasse angewiesen, sich selbst um die Organisation einer Haushaltshilfe zu kümmern: Das hat die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) im vergangenen Jahr in ihrem Beratungsalltag vermehrt festgestellt. Betroffene sind dazu aber aufgrund ihrer persönlichen Situation körperlich und psychisch oft nicht in der Lage. Obwohl das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) bereits in der Vergangenheit die Kassen mehrfach deutlich auf ihre Unterstützungspflichten hingewiesen hat, ist Besserung nicht in Sicht.
Die UPD hat in ihrer Beratung vermehrt Hinweise darauf gesammelt, dass Krankenkassen – trotz klarer Vorgaben – Versicherte in Notlagen nicht in erforderlicher Weise bei der Organisation von Haushaltshilfen unterstützen.
Dabei soll die gesetzliche Regelung gerade Menschen entlasten, die Hilfe benötigen, weil sie selbst nicht mehr in der Lage sind, zum Beispiel durch eine schwere Krankheit, ihren Haushalt selbst zu führen. Beratung zu Unterstützungsmöglichkeiten und auch die Organisation der Haushaltshilfe sind Aufgabe der Kassen. Betroffene Ratsuchende berichten jedoch, dass die Kassen sie auffordern, sich selbst eine Haushaltshilfe zu suchen – am besten aus dem persönlichen Umfeld. Aber längst nicht jeder kann darauf zurückgreifen, beispielsweise von Familienangehörigen versorgt zu werden. Erschwerend kommt hinzu: Die Stundensätze, also die Kosten, die von den Kassen für Haushaltshilfen übernommen werden, variieren erheblich und liegen oft nur knapp im oder sogar unter dem Mindestlohn. „Viele Ratsuchende können bei diesen Sätzen gar nicht auf professionelle Hilfe zurückgreifen. Ein Höchstsatz von 10,25 Euro pro Stunde ist völlig lebensfremd. Betroffene, die dann keine Angehörigen finden oder schlichtweg niemanden kennen, gehen leer aus“, sagt UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede.
Klare rechtliche Vorgaben für die Kassen
Die Rechtslage ist klar: Patienten haben Anspruch auf eine Haushaltshilfe, wenn drei Kriterien erfüllt sind.
- Erstens: Patienten können wegen einer stationären Behandlung oder bei schwerer Krankheit den Haushalt nicht weiterführen.
- Zweitens: Im Haushalt lebt keine weitere Person, die den Haushalt weiterführen könnte.
- Drittens: In einigen Fällen ist es zusätzlich erforderlich, dass sie ein Kind im Alter von 12 Jahren oder jünger oder aber mit Behinderung betreuen.
Sind alle drei Kriterien erfüllt, muss die Krankenkasse auf Antrag des oder der Versicherten entweder selbst eine geeignete Person anstellen oder Verträge mit entsprechenden Anbietern abschließen. Ausnahmen gibt es nur, wenn der Bedarf so kurzfristig angemeldet wird, dass die Kasse aus Zeitgründen keine geeignete Haushaltshilfe stellen kann oder Versicherte explizit wünschen, sich selbst eine Haushaltshilfe zu organisieren. In diesem Fall übernimmt die Krankenkasse bis zu einer bestimmten Höhe die Kosten der selbstorganisierten Haushaltshilfe.
Was Betroffene tun können
Heike Morris, juristische Leiterin der UPD, erläutert, wie anspruchsberechtigte Ratsuchende vorgehen können: „Wir klären die Ratsuchenden über ihre Rechte, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Haushaltshilfen und die Pflichten der Krankenkassen auf. Wir legen den Betroffenen nahe, erneut mit ihrer Kasse Kontakt aufzunehmen und diese mit Verweis auf die klare Rechtslage aufzufordern, ihnen eine Haushaltshilfe zu stellen. Führt das nicht zum Erfolg, bleibt leider nur die
Suche auf eigene Faust – dann aber sollten sich die Versicherten von der Kasse eine Übernahme der tatsächlich anfallenden Kosten bestätigen lassen.“
Aber was tun, wenn sich die Kasse weiterhin weigert? „Alternativ zum Rechtsweg bleibt nur die Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde oder schlimmstenfalls der Verzicht auf eine Haushaltshilfe: Das ist für Versicherte in einer oft äußerst schwierigen Lage aber eine absolut unbefriedigende Situation“, sagt Heike Morris.
Trotz Reaktion durch Aufsichtsbehörde: Problem besteht weiterhin
Bisher hat sich wenig an der Situation geändert. Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) als Aufsichtsbehörde der Krankenkassen, die in mehr als drei Bundesländern tätig sind, hat bereits in mehreren Rundschreiben auf die Problematik hingewiesen. Die Rechtfertigung einiger Kassen, wonach Versicherte es vorziehen, selbst eine Haushaltshilfe zu beschaffen, kann die UPD auf Basis ihrer Beratungserfahrung nicht nachvollziehen. Dazu kommt: Einer Auswertung des BAS zufolge haben gar nicht alle Krankenkassen in ausreichendem Maße Verträge mit Leistungserbringern abgeschlossen. Das BAS hat die Kassen bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten unzulässig ist. Auch die Qualität der Beratung von Versicherten durch die Kassen stellt das BAS infrage.
„Für die Versicherten ist es positiv, dass das Bundesamt für Soziale Sicherung aktiv geworden ist. Dennoch haben wir als Patientenberatung den Eindruck, dass einige Krankenkassen weiter so vorgehen wie bisher und dringend hilfsbedürftigen Menschen die Unterstützung verweigern“, sagt UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede.
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung