Kritik an Lauterbachs Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen
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Zum Aufruf des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), Personal aus den Erwachsenenabteilungen zur Versorgung der Patientinnen und Patienten in den Kinderabteilungen abzustellen, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß.
„Selbstverständlich haben die Krankenhäuser mit pädiatrischen Fachabteilungen, in denen aufgrund von Personalmangel die Patientenversorgung aktuell stark beeinträchtigt ist, bereits in den vergangenen Tagen alle Möglichkeiten genutzt, um fehlendes Fachpersonal aus anderen Abteilungen zu ergänzen.
Darüber hinaus sind in dieser Lage auch die niedergelassenen Kinder- und Hausärztinnen gefordert, ebenfalls alles zu tun, um medizinisch nicht dringliche Krankenhauseinweisungen durch eine umfassende ambulante Versorgung zu vermeiden. Wahr ist aber auch, dass die Politik es den Krankenhäusern in den vergangenen Jahren immer schwerer gemacht hat, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Die knappe Personaldecke in allen Abteilungen, nicht nur in den Kinderkliniken, ist Folge einer Politik, die die Krankenhäuser jahrelang kaputtgespart hat und die Kliniken unter einen wirtschaftlichen Druck gesetzt hat, der letztlich nur über Einsparungen beim Personal realisiert werden konnte.
Wenn die Länder allein in den vergangenen zehn Jahren über 35 Milliarden Euro an Investitionsmitteln nicht finanziert haben, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet sind und auch jetzt die wirtschaftliche Last der galoppierenden Inflation mit mehr als 10 Milliarden Euro bei den Krankenhäusern abgeladen wird, sollte man sich seiner Verantwortung bewusst sein. Weil sich die Bundesregierung politisch entschieden hat, die Ausgaben der Krankenkassen zu schonen und auch keine steuerfinanzierten Unterstützungen zu leisten, werden alle Appelle der Politik an die Krankenhäuser wirkungslos verpuffen. Denn wo nichts ist, kann man nichts zusätzlich bereitstellen. Die angekündigte Unterstützung zur Finanzierung der Energiekostensteigerungen ist wichtig, reicht aber bei weitem nicht aus, um die gesamten Mehrkosten der Krankenhäuser aufgrund der Inflation auszugleichen. Die Bundesregierung weiß sehr genau, dass die regelhafte Krankenhausfinanzierung in dieser Krise keine Lösung bietet. Wir warten seit Monaten darauf, wie die Politik neben den Energiekostensteigerungen auch die sonstigen Kostensteigerungen in den Krankenhäusern refinanzieren wird. Im Moment tragen diese Lasten alleine die Krankenhäuser und stehen vielfach vor der Situation, dass auch die Banken nicht mehr bereit sind, Überbrückungskredite zur Verfügung zu stellen.
Jetzt kommt es darauf an, was Bundesminister Karl Lauterbach am Dienstag im Zuge der angekündigten Finanzierungsreform für die Krankenhäuser vorschlagen wird. Werden es allein Umverteilungsvorschläge, wird jeder erkennen können, dass man so die Probleme im Krankenhausbereich nicht lösen kann.
Wir brauchen endlich ausreichend Investitionsmittel, um Energieeffizienz zu erzeugen und damit Betriebskosten zu sparen, und wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung des gesamten Krankenhauspersonals, nicht nur in den Kinderkliniken und in der Pflege. Wir erwarten deshalb in der kommenden Woche Vorschläge, die kurzfristig die wirtschaftliche Lage stabilisieren und mittelfristig nachhaltig tragfähige Krankenhausstrukturen ermöglichen.“
Zudem kritisiert die DBfK-Präsidentin Christel Bienstein die geplante Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen:
„Die Pflegepersonaluntergrenzen sind als unterste rote Linie gedacht, um noch eine sichere Versorgung der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus gewährleisten zu können. Wir reden also dann bereits nicht mehr von fachlich fundierter und aktivierender Pflege. Wenn selbst diese rote Linie in Frage gestellt wird, dann ist es das falsche Zeichen für die Pflegefachpersonen und gefährdet die Patientinnen und Patienten im Krankenhaus. In Engpässen müssen Personalkapazitäten geschaffen werden, indem Leistungen wie beispielsweise elektive Eingriffe verschoben werden.“