Für immer mehr Menschen wird Pflege zum Existenzrisiko
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Pflege scheint sich in Deutschland immer mehr zu einer Dienstleistung zu entwickeln, die für viele Haushalte nicht mehr finanzierbar ist. Selbst Angehörige sind oft nicht mehr in der Lage, finanziell die pflegebedürftige Person zu unterstützen. Die Ursachen sind dabei vielfältiger Natur. Eines der wesentlichen Punkte, die zur Verteuerung der Pflege führen, sind steigende Personalkosten, Energiekosten und allgemeine Kostensteigerungen durch die Inflation.
Ergänzend kommt der Fachkräftemangel, eine Situation, die viele Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste zu einer Pflege-Triage zwingen, der Vorabbewertung, ob eine pflegebedürftige Person überhaupt noch aufgenommen werden kann, sei es in der Pflegeeinrichtung oder der Pflegedienst, wenn der Pflegeaufwand insgesamt zu hoch ist. Schon heute führt das dazu, dass in Kliniken Menschen behandelt werden, die eigentlich nach dem Krankenhausaufenthalt in eine Pflegeeinrichtung überwiesen werden müssten. Durch diese Situation kommt es immer häufiger vor, dass das Krankenhauspersonal mit pflegerischen Tätigkeiten zusätzlich belastet wird und die Pflegeleistung der aktuell zu behandelnden Patientinnen und Patienten, reduziert werden muss.
Für pflegende Angehörige bedeutet das oftmals, die Entscheidung zwischen häuslicher Angehörigenpflege, oder im Extremfall irgendeine Einrichtung zu finden, die dann oft nicht mehr schnell erreichbar ist um den oder die pflegebedürftige Person, besuchen zu können. Im Rahmen einer Online-Umfrage von pflege.de wurden Zahlen ermittelt, die diese Entwicklung transparent macht (Auswertung der pflege-de-Umfrage "Ist die Pflege noch bezahlbar" als PDF-Download (211 kb)):
Die steigenden Kosten treffen Menschen in der häuslichen Pflege hart. Das zeigt die Umfrage des Informations- und Serviceportal pflege.de ganz klar. Bereits 40 Prozent der Befragten können mit den aktuellen Pflegeleistungen die Pflege zuhause nicht mehr bezahlen. 56 Prozent geben an, dass die Sachleistungen für den ambulanten Pflegedienst nicht mehr ausreichen. Die Konsequenz: Über die Hälfte muss die Stunden des Pflegedienstes reduzieren und bringen selbst noch mehr Zeit für die Pflege auf beziehungsweise werden noch mehr von Angehörigen gepflegt (51 Prozent).
Enormer Kostendruck zerrt an Ersparnissen und verursacht sogar Verschuldung
Viele Pflegebedürftige geraten durch die Kostensteigerungen an ihre finanziellen Grenzen. Um genug Geld für die Pflege zur Verfügung zu haben, müssen 45 Prozent der Befragten ihre Ersparnisse nutzen, 7 Prozent müssen sich sogar verschulden. 25 Prozent wollen mit Verbrauchsprodukten sparsamer umgehen und 33 Prozent prüfen noch mehr, welche Leistungen sie erstattet oder auf Rezept bekommen können.
Pflegende Angehörige opfern eigenes Geld und Freizeit für Pflegekosten
Von den befragten pflegenden Angehörigen geben 25 Prozent an, dass sie ihre Freizeitaktivitäten reduzieren wollen, um die steigenden Pflegekosten auszugleichen. 17 Prozent tragen sogar einen Teil der Pflegekosten mit – sie versuchen an anderen Stellen einzusparen. Knapp 9 Prozent nehmen weniger entlastende Angebote wahr und 11 Prozent reduzieren ihre Arbeitszeit, um mehr Zeit für die Pflege zu haben.
Zu teuer: Viele müssen aus dem Pflegeheim ausziehen
Besonders betroffen von den steigenden Kosten sind auch Pflegeheimbewohner. 60 Prozent der befragten Pflegeheimbewohner geben an, dass sie die aktuellen Pflegeheimkosten nicht mehr finanzieren können. Als Folge überlegen 22 Prozent aus dem Pflegeheim auszuziehen und wieder in die häusliche Pflege zu wechseln. 62 Prozent wollen Sozialhilfe beantragen, um im Pflegeheim bleiben zu können.
Umzug ins Pflegeheim: Für jeden Vierten nicht mehr bezahlbar
Andere können aufgrund der Kosten gar nicht erst ins Pflegeheim einziehen, obwohl der Wunsch besteht. Für 24 Prozent der Befragten ist der Umzug ins Pflegeheim nicht finanzierbar. Weitere 22 Prozent versuchen den Umzug unbedingt zu vermeiden, indem sie sich mehr Hilfe für die Pflege zuhause suchen.
Der VdK von Nordrhein-Westfahlen hat sich zu den sinkenden Zahlen der Menschen die in einem Pflegeheim staatliche Unterstützung benötigen, mit Kritik geäußert. Allerdings wird in der vom VdK angesprochenen Statistik nicht dargestellt, ob sich die Zahl mit zunehmender Pflege durch Angehörige, begründen lässt:
Auch wenn laut Statistischem Landesamt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben und die Hilfe zur Pflege benötigen, im Vergleich zu 2021 aufgrund der staatlichen Zuschüsse gesunken ist, können immer noch mehr als 60.000 Menschen die Pflegeheimkosten nicht alleine aufbringen und sind auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. „Das sind nach wie vor zu viele Menschen in NRW. Insbesondere der Anstieg im Bereich der häuslichen Pflege bereitet uns große Sorge. Wir befürchten, dass die Dunkelziffer viel höher sein wird, da nicht alle Menschen Hilfe vom Staat beantragen wollen und können,“ sagt der VdK-Landesvorsitzende Horst Vöge.
Die Zahl der Personen, die Hilfe zur Pflege außerhalb von Einrichtungen bezogen haben, lag Ende 2022 bei knapp 12.000 Personen; das waren 3,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, teilte das Statistische Landesamt weiter mit. „Preissteigerungen für die stationäre Unterbringung oder für ambulante Dienste können nur noch von wenigen Pflegebedürftigen und ihren Familien aus eigener Kraft finanziert werden. Das wissen wir aus unserer täglichen Beratungspraxis. Deshalb machen wir uns als Sozialverband VdK weiterhin nachhaltig für eine Deckelung der Eigenanteile und die Einführung einer Pflegevollversicherung stark“, bekräftigt Horst Vöge, der zugleich als Vizepräsident auf Bundesebene aktiv ist.
Die Menschen in NRW müssen sich flächendeckend auf gute, unabhängige Pflegeberatung verlassen können und ausreichend Plätze zur Kurzzeit-, Verhinderungs- sowie Tagespflege abrufen können. Das ist vor allem auch für die mehr als 300.000 demenzkranken Menschen und ihre Angehörigen von besonderer Bedeutung,“ so Horst Vöge anlässlich des heutigen Welt-Alzheimertages.
Autor: kk/pflege.de