ICILS Studie: Digitale Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern nicht ausreichend
- Lesezeit: 11 Minuten
Die heute veröffentlichte Studie „International Computer and Information Literacy Study“, ICILS 2023 untersucht seit 2013 alle fünf Jahre zum dritten Mal die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich.
Die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässlerinnen und Achtklässlern in Deutschland liegen trotz eines Rückgangs weiterhin über dem internationalen Mittelwert. Bemerkenswert verbessert hat sich die technische Ausstattung der Schulen in den letzten zehn Jahren. Auch die Lehrkräfte nutzen deutlich häufiger als früher digitale Medien. Hier zeigt der DigitalPakt Schule von Bund und Ländern positive Effekte.
Allerdings erreicht nur ein geringer Anteil der Jugendlichen die Leistungsspitze und gut vierzig Prozent verfügen lediglich über Grundkenntnisse. Die Kompetenzen variieren stark nach besuchter Schulform und es zeigen sich deutliche Unterschiede bezogen auf die soziale Herkunft sowie den Zuwanderungs- beziehungsweise Sprachhintergrund.
Dazu erklärt der Bundesminister für Bildung und Forschung, Cem Özdemir: „Die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern im Rahmen des Digitalpakts Schule zeigen Wirkung, das ist ein Erfolg für ein besseres digitales Lernen in Klassenräumen. Die Studienergebnisse zeigen aber auch, dass wir uns darauf nicht ausruhen können und es ein ganzheitliches Konzept für digitale Bildung braucht. Es wird für uns alle die Herausforderung der nächsten Jahre sein, unsere Schulen vom Kreidezeitalter in die digitale Moderne zu bringen. Wir brauchen starke öffentliche Institutionen, in denen unsere Kinder bestmöglich auf das Leben vorbereitet werden. Dass in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt weiterhin zu viele Jugendliche nicht sicher mit digitalen Medien umgehen können, sollte uns daher zu denken aufgeben. Sorge bereitet mir hier auch, dass dies an soziale und herkunftsspezifische Faktoren gekoppelt ist.
Schulen sollen Orte sein, in denen Zukunft geschmiedet wird. Dafür braucht es zuvorderst eine gute IT-Infrastruktur und -Ausstattung. Wir müssen aber auch unsere Lehrkräfte und Schulleitungen in die Lage versetzen, unseren Kindern einen sicheren und selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Daher müssen – gerade auch angesichts knapper Ressourcen – Finanzhilfen des Bundes sinnvoll auch zur Fortentwicklung pädagogischer und mediendidaktischer Aspekte in den Ländern eingesetzt werden.
Ich setze zum Digitalpakt 2.0 auf konstruktive und ergebnisorientierte Gespräche mit den Ländern und möchte die Verhandlungen in diesem Sinne zu einem gemeinsamen Erfolg führen. Wir brauchen keine unnötigen Konfrontationen. Der Digitalpakt 2.0 muss kommen, denn Digitalisierung ist eine kontinuierliche Aufgabe, die uns alle angeht.“
Christine Streichert-Clivot, Präsidentin der Kultusministerkonferenz 2024 und saarländische Ministerin für Bildung und Kultur: „Bund, Länder und Kommunen haben in den letzten Jahren mit großen Kraftanstrengungen den Grundstein für die digitale Transformation im Bildungsbereich gelegt. Das würdigt die ICILS-Studie und ihre Ergebnisse fordern uns alle dazu auf, weiter zu machen. Ich bin zuversichtlich: Der DigitalPakt 2.0 wird einen wichtigen Beitrag zu dieser Zielsetzung liefern können, wenn wir den Knoten jetzt durchschlagen. Die digitale Transformation aktiv zu begleiten ist eine der Kernaufgaben der KMK. Junge Menschen sollen sich selbstbewusst und souverän in der digitalen Welt bewegen. Gleichzeitig brauchen sie das Wissen, Veränderungen, die durch KI oder Algorithmen entstehen, zu erkennen und zu beeinflussen. Unter anderem deshalb haben wir kürzlich Empfehlungen zur Künstlichen Intelligenz veröffentlicht. Die ICILS-Studie zeigt aber auch eine Entwicklung, die wir bereits in anderen Bereichen gespiegelt bekommen: Auch bei den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen gibt es einen Zusammenhang zwischen Herkunft und den Bildungschancen. Hier entsteht eine Digitale Spaltung, die wir dringend schließen müssen. Wir müssen sicherstellen, dass kein junger Mensch zurückgelassen wird.“
Karin Prien, B-Länderkoordinatorin und Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein: „Wir sehen deutliche Verbesserungen in der digitalen Ausstattung der Schulen. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass dies nicht automatisch zu einer Verbesserung der mittleren computer- und informationsbezogenen Kompetenzen geführt hat. Bei der Vermittlung von digitalen Kompetenzen sind weiterhin große Anstrengungen erforderlich. Dies gilt insbesondere für die Haltung und Qualifizierung von Schulleitungen und Lehrkräften zu einer Kultur der Digitalität, die einen echten, pädagogischen Mehrwert für alle Beteiligten bringt. Sehr erfreulich ist die Zunahme der Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler im obersten Leistungssegment. Das gilt es weiter auszubauen. Darüber hinaus muss ein Schwerpunkt unserer Arbeit die Stärkung der Kompetenzen an den nicht gymnasialen Schulen sein, damit zukünftig alle Schülerinnen und Schüler zumindest über grundlegende computer- und informationsbezogene Kompetenzen verfügen. Auch bei den digitalen Kompetenzen zeigt sich, dass ohne ausreichende Sprachkenntnisse der Bildungserfolg gefährdet ist. Zentral ist, dass Schulen sich innerhalb ihrer schulinternen Curricula einig sind, wo sie die entsprechenden Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler ausbilden“
Dr. Stefanie Hubig, A-Länderkoordinatorin und Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz: „Die ICILS-Studie zeigt, dass die digitale Ausstattung unserer Schulen – auch dank des DigitalPaktes – inzwischen sehr gut ist. Dieses Fundament müssen wir mit dem DigitalPakt 2.0 festigen und ausbauen. Zugleich gibt uns die Studie einen klaren Auftrag mit: Wir müssen unseren Instrumentenkasten besser nutzen und vor allem unsere Lehrkräfte so gut aus- und fortbilden, dass sie digitale Kompetenzen noch besser vermitteln können. Individuelle Förderung durch adaptive Lernsoftware oder auch die Mittel der KI – das sind großartige Möglichkeiten und unsere Lehrkräfte müssen sie zielführend einsetzen können. Das gilt für alle Schularten. So erfreulich die verbesserten ICILS-Ergebnisse bei Schülerinnen und Schülern mit höheren Abschlüssen sind, so dringend müssen digitale Kompetenzen auch jenseits vom Gymnasium vermittelt werden. Für die Zukunft ist das ein ganz zentraler Aspekt der Bildungsgerechtigkeit, und der liegt mir besonders am Herzen. Unser Ziel muss es sein, dass die Herkunft unserer Schülerinnen und Schüler künftig nicht mehr über ihren Bildungserfolg entscheidet. Alle Kinder und Jugendlichen sollen sich sicher und selbstbewusst in der digitalen Welt bewegen können.“
Wilfried Kühner, Amtschef des Sächsischen Staatsministerium für Kultus als Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK): „Die ICILS-Ergebnisse zeigen, dass der DigitalPakt Schule maßgeblich zu positiven Veränderungen beim Ausbau der Infrastruktur und der Ausstattung beigetragen hat. Der digitale Wandel ist für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands ein zentrales Thema. Seit 2017 orientieren sich die Länder an der gemeinsamen Strategie 'Bildung in der digitalen Welt', die sie 2021 mit der Empfehlung 'Lehren und Lernen in der digitalen Welt' vertieft haben. Danach müssen alle Schulen die Schülerinnen und Schüler zu einem kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit neuen Technologien befähigen und die entsprechenden digitalen Kompetenzen vermitteln. Allerdings ist der hohe Anteil von Schülerinnen und Schülern mit lediglich Grundkenntnissen in den digitalen Kompetenzen nicht zufriedenstellend. Hier besteht ein großer Handlungsbedarf.“
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
- Die mittleren computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland betragen 502 Punkte. Sie liegen damit signifikant über dem internationalen Mittelwert (476 Punkte) und dem Mittelwert der 22 teilnehmenden EU-Staaten[1] (493 Punkte). Dies ist für Deutschland ein signifikanter Kompetenzrückgang, nachdem die mittleren Kompetenzen zwischen ICILS 2013 (523 Punkte) und ICILS 2018 (518 Punkte) statistisch unverändert waren.
- Die höchste Kompetenzstufe erreichen 1,1 Prozent der Achtklässlerinnen und Achtklässler (international 1,0 Prozent; EU-Staaten 0,8 Prozent).
- Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit rudimentären und basalen Kompetenzen liegt bei 40,8 Prozent (international 50,2 Prozent, EU: 44,0 Prozent).
- Schülerinnen und Schüler an Gymnasien erzielten mit 559 Punkten ein signifikant höheres Kompetenzniveau als an anderen Schulformen (472 Punkte).
- Das Kompetenzniveau der Achtklässlerinnen und Achtklässler ist eng an soziale und herkunftsspezifische Faktoren gekoppelt.
- Mit mehr als 90 Prozent sieht ein Großteil der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland die Schule als den Ort, der ihnen das Lernen mit digitalen Medien ermöglichen sollte, und äußert hohe Motivation beim Lernen mit digitalen Medien.
- Im Bereich Computational Thinking liegen die mittleren Kompetenzen mit 479 Punkten im Bereich des internationalen Mittelwerts und der teilnehmenden EU-Staaten (jeweils 483 Punkte); sie sind im Vergleich zu 2018 (486 Punkte) stabil.
- Nachdem sich 2018 statistisch noch fast zehn Schülerinnen und Schüler ein durch die Schule zur Verfügung gestelltes digitales Gerät teilen mussten, sind es im Jahr 2023 statistisch fünf Schülerinnen und Schüler pro Gerät.
- Gleichzeitig besucht nur etwa ein Zehntel (10,2 Prozent) der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland eine Schule, an der adaptive Lernsysteme für Lehrkräfte und die Schülerschaft verfügbar sind (international: 23,5 Prozent, EU: 20,5 Prozent).
- Der Anteil der Lehrkräfte, die digitale Medien täglich im Unterricht nutzen, hat sich seit 2013 enorm gesteigert (2013: 9,1 Prozent, 2018: 23,2 Prozent auf nun 2023 69,9 Prozent) und liegt jetzt erstmals signifikant über dem internationalen Mittelwert (61,2 Prozent) und im statistischen Bereich der EU-Vergleichsgruppe (68,9 Prozent).
- Im internationalen Vergleich wird bei der Ausbildung sowie bei der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften in Bezug auf Digitalisierung, insbesondere mit Blick auf die praktische Anwendung sowie Unterrichtsentwicklung, Entwicklungsbedarf deutlich.
Die Studie „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS) ist eine international vergleichende Schulleistungsuntersuchung, die unter der Koordination der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) durchgeführt wird. In Deutschland wird die Studie durch ein wissenschaftliches Konsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Birgit Eickelmann (Universität Paderborn) durchgeführt.
An ICILS 2023 beteiligten sich weltweit insgesamt 35 Teilnehmerländer, davon 22 EU-Mitgliedstaaten. Die repräsentative Stichprobe in Deutschland umfasst 5.065 Achtklässlerinnen und Achtklässler sowie 2.302 Lehrkräfte an 230 Schulen. Zudem wurden die Schulleitungen und IT-Koordinatoren bzw. IT-Koordinatorinnen der teilnehmenden Schulen befragt.
Die Studie wird vollständig vom BMBF finanziert; die EU unterstützt die Finanzierung der internationalen Teilnahmegebühren. Die Länder haben den Feldzugang zu den Schulen ermöglicht und die Durchführung der Studie unterstützt.
Autor: kk KMK