Hartz IV: Paritätischer Gesamtverband fordern menschenwürdige, sanktionsfreie und bedarfsdeckende Grundsicherung
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Durch die Corona-Krise leiden besonders die schwächsten in unsere Gesellschaft. Die Lebensmittelpreise sind gestiegen, sowie die Strompreise dieses ist gerade für Menschen die Hartz-IV-Beziehen sehr belastend. Ein Alleinstehende/Alleinerziehende Person erhält einen Regelsatz von 432 Euro derzeit pro Monat. In der Tabelle vom Paritätischen sind die Regelsatz-Leistungen für Hartz-IV-Empfänger nochmal aufgelistet.
Der Paritätische macht auf eine Aktion aufmerksam er schreibt:
Mit Großplakaten, die für die nächsten zehn Tage bundesweit an S- und U-Bahnhöfen aushängen, starten Sanktionsfrei e.V. und der Paritätische Wohlfahrtsverband heute unter dem Motto „HartzFacts“ eine gemeinsame Informationskampagne, um Vorurteile gegenüber Hartz IV-Beziehenden auszuräumen. Ziel ist es, Betroffenen den Rücken zu stärken und politischen Druck aufzubauen für eine menschenwürdige Grundsicherung. Die beiden Organisationen fordern eine Abschaffung der Sanktionen und die deutliche Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf ein bedarfsgerechtes Niveau von mindestens 600 Euro.
In einer Info-Broschüre macht der Paritätischer Aufmerksam:
„Der Regelsatz in der Grundsicherung für eine alleinlebende Person liegt derzeit bei 432 Euro. Lediglich 20 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass eine alleinstehende erwachsene Person mit 432 Euro ihren Lebensunterhalt decken kann. Knappe 80 Prozent vertreten die Ansicht, dass ein solcher Betrag nicht ausreicht.“ In der Grafik ist diese nochmal verdeutlicht.
Für Familien ist der Hartz-IV-Satz ein Kraft akt. So heißt es in der Broschüre:
„Ein Paar mit zwei Kindern von 6 und 17 Jahren kommt derzeit auf einen gemeinsamen Regelbedarf von 1.414 Euro. Nur 34 Prozent der Befragten halten diesen Betrag für ausreichend. 65 Prozent gehen von einem höheren notwendigen Bedarf aus. Dem Entwurf aus dem BMAS zur Neufestsetzung der Regelsätze folgend, wäre dieser Regelbedarf ab 1. Januar 2021 1.465 Euro. Aus Sicht der überwiegenden Mehrheit ist dies offensichtlich keine relevante Erhöhung. Auch diesen Betrag halten nur 34 Prozent der Befragten für ausreichend.“ In der Grafik ist diese nochmal verdeutlicht.
„‘HartzFacts‘ – der Name der Kampagne ist bereits die Kernbotschaft: Hartz 4 ist nicht einfach nur ein Volksbegriff für eine staatliche Leistung. Hartz 4 ist Stigma, ist Meinung, ist Urteil. Aber vor allem ist es ein Vorurteil! Wie so oft ist auch diese Diskriminierung ein unbewusster und unterschwelliger Prozess und gerade deswegen so gefährlich. Genau deshalb machen wir diese Kampagne“, so Helena Steinhaus, Gründerin von Sanktionsfrei e.V.. Nach einer repräsentativen Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Forsa vom März 2020 sind Vorurteile gegenüber Hartz-IV-Beziehenden in der Bevölkerung nach wie vor weit verbreitet: Dass Hartz-IV-Beziehende bei der Job-Auswahl zu wählerisch seien, glaubt mit 45 Prozent fast die Hälfte der Befragten und etwas über die Hälfte neigt der Aussage zu, dass Hartz IV-Beziehende „nichts Richtiges“ zu tun hätten. Dem gegenüber stehen die empirischen und statistischen Fakten, nach denen nur rund ein Viertel der Hartz-IV-Beziehenden tatsächlich arbeitslos ist, während der Großteil erwerbstätig, in Ausbildung oder Qualifizierungsmaßnahmen oder mit der Pflege oder Erziehung von Angehörigen beschäftigt ist und daher dem Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung steht.
Die Pläne zur Neuregelung der Regelsätze zum 1.1.2021 werden scharf als absolut unzureichend kritisiert. „Es wäre ein Skandal und ein politisches Armutszeugnis sondergleichen, wenn Hilfebedürftige in Hartz IV und in der Grundsicherung für alte und erwerbsgeminderte Menschen für weitere fünf Jahre auf Beträge verwiesen werden, die mit Bedarf und Lebensrealität in Deutschland wirklich nichts zu tun haben. Es darf nicht sein, dass Armut in Deutschland für weitere fünf Jahre regierungsamtlich festgeschrieben wird“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Anstatt sich hinter Statistiken zu verstecken, sollte sich die Politik endlich den Menschen zuwenden.”
In der Broschüre wurde auch die Politik dazu befragt. „Durchaus interessant ist ein Blick auf die parteipolitischen Präferenzen der Befragten. Bemerkenswert ist, dass die Einschätzung regelmäßig höherer Bedarfe als im Regelsatz ausgewiesen über alle Parteien ganz deutlich vorhanden ist. Es ist in allen Parteianhängerschaften immer nur eine ausgesprochene Minderheit, die den tatsächlichen Bedarf auf dem sehr niedrigen Niveau des aktuell geltenden Regelsatzes festmacht. Gleichwohl zeigen sich Unterschiede. Während beispielsweise unter den Anhänger*innen von DIE LINKE sowie der Unionsparteien lediglich 13 bzw. 18 Prozent der Auffassung sind, mit einem Budget von unter 500 Euro könne eine alleinlebende Person den Lebensunterhalt (ohne Wohnkosten) bestreiten, sind es bei AfD und FDP bereits 27 und 28 Prozent, somit mehr als jeder Vierte.“
„Auch bei der Bewertung des benötigten Budgets in Paarhaushalten mit zwei Schulkindern gibt es auffällige Unterschiede: Sind es unter den Anhänger*innen von DIE LINKE und der Unionsparteien nur 24 bzw. 27 Prozent, die angeben, ein Budget unter 1.500 Euro sei ausreichend, sind es unter den Anhänger*innen von SPD und AfD immerhin schon 40 und 43 Prozent. Bei der Notwendigkeit coronabedingter zusätzliche Hilfen liegt die Zustimmungsrate unter den Anhänger*innen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und DIE LINKE jeweils zwischen deutlichen 65 und 73 Prozent, während sich in den Anhängerschaften der Unionsparteien, der FDP und der AfD für eine solche Hilfe keine Mehrheit findet.“
Die Kritik an der zu geringen Regelsatzhöhe wird durch ein weiteres Ergebnis der Forsa-Umfrage untermauert. So gehen die allermeisten Menschen nicht davon aus, dass die für Hartz IV und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorgeschlagenen Regelsatzbeträge ausreichend sind, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Der Betrag, der im Durchschnitt der Befragten für nötig erachtet wird, liegt mit 728 Euro um 66 Prozent über dem Regelsatz, der nach den jüngst bekannt gewordenen Plänen des Bundesarbeitsministeriums ab 1.1.2021 gelten soll.
Konkret fordern Sanktionsfrei und der Paritätische eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze und eine vollständige Abschaffung von Sanktionen: „Gemeinsam fordern wir ein System, das absichert und nicht verunsichert. Ein System, das die Menschen unterstützt, ihnen Mut macht und eine menschenwürdige Grundsicherung garantiert“, heißt es auf der gemeinsamen Kampagnen-Webseite, auf der auch Geschichten, Fakten und Vorurteile, sowie ein Wissens-Quiz zu finden sind.
Virtuelle Pressemappe mit Pressemeldung und ausführlichen Statements von Helena Steinhaus und Ulrich Schneider:
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung