Sicherheit statt Einsamkeit – So werden Weihnachten Pflegeeinrichtungen zu Orten der Begegnung
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Seit Monaten ist der Besuch in einer Pflegeeinrichtung mit Hürden versehen, doch die sollen jetzt zu Weihnachten besser geregelt werden, wie der Pflegebevollmächtigte Andreas Westerfellhaus und der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, gestern mitteilten. ( wir berichteten )
In der Handreichung heiß es unter anderem: Grundlage für die Besuchskonzepte sollten neben den Rechten und der Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner immer die fachlichen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und weiterer in Teilbereichen zuständiger Institutionen sein, zum Beispiel wissenschaftlicher Fachgesellschaften. Hinzu kommt eine einrichtungsspezifische Risikoabschätzung. Einrichtungen betrachten dafür unter anderem
- die COVID-19-Situation der Einrichtung,
- die epidemiologische Lage,
- die Bewohnerstruktur und
- die eigenen räumlichen Gegebenheiten und Ressourcen.
Im Zentrum eines Besuchskonzeptes in einer Pandemie steht das Ziel, dass Besuche stattfinden – mit möglichst geringen Einschränkungen. Dabei kommt es auf zwei Dinge an: die Umsetzung der Hygieneregeln und die Entwicklung individueller Besuchsregelungen in enger Absprache mit den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den Besucherinnen und Besuchern. Soweit nicht ohnehin rechtlich vorgesehen, ist es empfehlenswert, das einrichtungsspezifische Besuchskonzept mit dem Gesundheitsamt abzustimmen. Dies kann gewährleisten, dass epidemiologische Gesichtspunkte berücksichtigt werden und in das Besuchskonzept einfließen können.
In einer PDF-Datei ist die vollständige Handreichung-Besuchskonzepte (254,6 kb) nachzulesen, an denen sich die Pflegeeinrichtungen orientieren können.
Zum Leitfaden des Pflegebevollmächtigten für Pflegeeinrichtungen erklärt Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik:
Der Leitfaden für Pflegeeinrichtungen kommt viel zu spät. Er hätte schon vor Wochen da sein müssen, denn spätestens seit den steigenden Neuinfektionen in den Herbstmonaten stehen die Pflegeeinrichtungen im öffentlichen Fokus. Ob der Leitfaden tatsächlich hilfreich ist, wird sich in der Praxis zeigen müssen.
Viele Pflegekräfte waren auch in den Sommermonaten stark belastet. Zahlreiche Pflegekräfte fühlen sich überlastet, Pflegeeinrichtungen haben auch deshalb mit erhöhten Personalausfällen zu kämpfen.
Pflegeeinrichtungen müssen Orte der Begegnung bleiben. Pflegebedürftige haben ein Recht auf Kontakt mit ihrem Familien- und Freundeskreis. Schnelltests müssen endlich auch in den Pflegeeinrichtungen ankommen, damit sie ihrem Namen gerecht werden. Wir danken den Pflegekräften für ihre Arbeit, bitten die An- und Zugehörigen um Geduld und Nachsicht und wünschen allen Pflegebedürftigen, dass sie nicht einsam, sondern sicher sein können.
Die Handreichung wurde in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Einrichtungsträger und der Menschen mit Pflegebedarf und ihrer Angehörigen erarbeitet und mit dem Expertenrat des Robert Koch-Instituts (RKI) untermauert.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Wir wollen Ältere und Pflegebedürftige bestmöglich vor Infektionen schützen. Aber wir wollen sie nicht wegsperren. Der Kontakt zu Angehörigen und Freunden soll weiterhin möglich sein. Wie das gehen kann, hat der Pflegebevollmächtigte in dieser Handreichung für Pflegeheime skizziert. Sie baut auf den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und der Erfahrung vieler Pflegeheime auf. Diese Blaupause für Besuchskonzepte gibt Pflegebedürftigen Hoffnung: Sie bleiben in dieser Pandemie nicht allein.“
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus erklärt dazu: „Natürlich leben in einer stationären Pflegeeinrichtung Menschen, für die eine COVID-19 Erkrankung ein höheres Risiko darstellt, aber Autonomie und Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner dürfen auch in einer Pandemie nicht in Frage gestellt werden. Ich freue mich daher sehr und danke allen Beteiligten, dass es gelungen ist, eine pragmatische Handreichung für Besuchskonzepte zu erarbeiten. Die deutliche Kernbotschaft ist: Für Besuche in Pflegeeinrichtungen braucht es das konsequente Einhalten der bekannten AHA+L Regeln: Abstand, Händehygiene, Mund-Nasen-Schutz und Lüften. Darüber hinaus gibt sie den Einrichtungen konkrete und pragmatische Informationen an die Hand, welche Regelungen in welcher Situation aus Expertensicht sinnvoll und welche weniger nützlich sind.“
Kritik kam von Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik (Die Linke): "
„Das Bundesgesundheitsministerium lässt die Menschen in Pflegeheimen in einer schwierigen Situation mal wieder alleine. Empfehlungen und Appelle reichen nicht aus und geben Menschen mit Pflegebedarf und Beschäftigten keine Sicherheit“, kommentiert Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik der Fraktion DIE LINKE, Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zum Besuchsmanagement in Alten- und Pflegeeinrichtungen. "Wir brauchen endlich gesetzliche Regelungen, um Menschen in Pflegeheimen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen sowohl vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zu schützen als auch vor zu rigiden Maßnahmen, die keine Schutzwirkung haben, aber die soziale Teilhabe zu stark einschränken." Pia Zimmermann weiter: „Das Ministerium entzieht sich hier genauso seiner Verantwortung wie bei der effektiven Bereitstellung von Schnelltests und Schutzmaterial. Es häufen sich mal wieder die Presseberichte von mangelhafter persönlicher Schutzausrüstung. Die Pflegeheime beklagen, dass sie schon den Normalbetrieb kaum aufrechterhalten können. Die Durchführung von Schnelltests überfordert sie nun zusätzlich. Durch den Pflegenotstand kann diese pragmatische Lösung für Besuche und Teilhabe zu wenig genutzt werden. Hier ist Unterstützung gefragt - gute Leitfäden haben die meisten Heime selber in der Schublade liegen. Auf die Umsetzung kommt es an. DIE LINKE hat bereits bei der 2./3. Lesung des Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) Ende November eine gesetzlich verankerte Corona-Strategie für besonders gefährdete Menschen gefordert.“
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung