Corona-Maßnahmen der Bundesregierung - Einigkeit sieht anders aus
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Am Freitag stellte die Bundeskanzlerin Angela Merkel die geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes vor, dass den Bundesländern einen gesetzlichen Handlungsrahmen geben soll, um ein einheitliches Vorgehen der Corona-Maßnahmen in allen Bundesländern sicher zu stellen. (wir berichteten)
Das die Kanzlerin hier keine breite Zustimmung hat, zeigte sich in der anschließenden Debatte im Bundestag. Die FDP drohte sogar, sollte das Gesetz so durchkommen, anschließend vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen, um dort die Rechtmäßigkeit des geplanten Gesetzes zu prüfen.
Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD, Bärbel Bas und Dirk Wiese, schreiben in einem Positionspapier: Deutschland befindet sich mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie. Trotz regelmäßiger Treffen von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten und seit Monaten geltenden einschränkenden Maßnahmen für die Menschen in den Bundesländern, steigen die Infektionszahlen weiter dramatisch an. Es braucht eine stärkere Rolle des Bundes und eine Kraftanstrengung von Bundestag, Bundesregierung und Bundesländern für ein gemeinsames Vorgehen. Das Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion stellt bei der Änderung des Infektionsschutzgesetzes die richtigen Weichen.
„Die bisherigen Maßnahmen haben bei der Bekämpfung der Pandemie nicht den erhofften Erfolg gebracht. Uneinheitliche Ausgestaltungen der aktuellen Regelungen in den Ländern und ein Flickenteppich von Maßnahmen in den Landkreisen und Kommunen führen zu Verwirrung und Unsicherheit in der Bevölkerung. Die Pandemie kennt keine Länder- und erst recht keine Kreis- oder Stadtgrenzen. Die SPD-Bundestagsfraktion ist seit Monaten für effektive und verhältnismäßige Maßnahmen und eine deutlich stärkere Rolle des Bundes eingetreten. Nur mit einem einheitlichen Vorgehen von Bund und Ländern und nachvollziehbaren Regelungen für die Bürgerinnen und Bürger werden wir dauerhaft die Infektionszahlen senken können und den Menschen eine Perspektive für eine transparente und verantwortungsvolle Öffnung des kulturellen und wirtschaftlichen Bereichs geben können.
Mit bundesweit konsequentem einheitlichem Schutz, verpflichtendem Homeoffice für alle Arbeitnehmenden und regelmäßigen Tests in Betrieben, Schulen und Kitas können wir die dritte Infektionswelle in den Griff bekommen. Dringend notwendig ist es, die Notbremse im Infektionsschutzgesetz zu verankern, damit sie bundeseinheitlich umgesetzt wird. Dass der Bundestag künftig bei dem Erlass von Rechtsverordnungen der Bundesregierung mitentscheidet, wird zu einer größeren Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung führen. Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein und dürfen nicht außer Verhältnis zu dem damit bezweckten Nutzen stehen. So sollte Sport im Freien durchgehend weiter möglich sein.
Entscheidend für den Erfolg von Öffnungsstrategien ist eine effektive Nachverfolgung von Corona-Kontakten. Digitale Lösungen zur Übertragung von Kontaktinformationen an die Gesundheitsämter können helfen, die Kontaktnachverfolgung im Alltag zu vereinfachen, zu beschleunigen und die Gesundheitsämter zu entlasten. Wir brauchen darüber hinaus einen effektiven Ausbau von Produktionskapazitäten für Impfstoffe und Tests sowie das Vorantreiben der Forschung an Medikamenten gegen COVID. Wir benötigen zudem zeitnah eine bundeseinheitliche Klarstellung, dass Geimpfte bei den Öffnungsstrategien gleich behandelt werden wie Personen, die ein negatives Testergebnis vorweisen können.
Für die SPD-Bundestagfraktion steht fest, dass angesichts der weiteren Einschränkungen die Hilfsprogramme für Familien, Betriebe und Beschäftigte unter anderem in Gastronomie, Kultur und Tourismus aufgestockt und bis zum Jahresende verlängert werden müssen. Wir brauchen ein großes Corona-Aufhol-Paket für Kinder und Jugendliche, das aufgetretene Lernrückstände in den Blick nimmt, aber nicht dabei stehen bleibt. Mit zwei Milliarden Euro müssen neben der Nachhilfeunterstützung auch zusätzliche soziale Arbeit gerade bei Schulen mit besonderen sozialen Herausforderungen und kinder- und jugendgerechte Bildungs- und Erholungsangebote in den Schulferien finanziert werden. Eine Erweiterung der Kinderkrankentage, weitere Zuschüsse für Kinder im Hilfebezug und ausgebaute Gewaltschutzprogramme halten wir zudem für unerlässlich.“
Mahmut Özdemir, sportpolitischer Sprecher der SPD, lässt Spielraum zu Spekulationen zu, die die Frage im Raum stehen lässt, ob sich die Bundesregierung überhaupt vereint für das Infektionsschutzgesetz positionieren werden: Aerosolforscher weisen eindringlich darauf hin, dass Ansteckungen fast ausnahmslos in Innenräumen stattfinden und Aktivitäten im Freien keinen nennenswerten Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben. Die SPD-Fraktion im Bundestag begrüßt diese Feststellung und fordert, Kindern und Jugendlichen sofort wieder die Ausübung von Vereinssport im Freien zu ermöglichen. So kann Gesundheitsprävention betrieben und der zunehmenden Pandemiemüdigkeit entgegengewirkt werden.
„Der Appell der Aerosolforscher stützt unsere Forderung, Kindern und Jugendlichen umgehend wieder die Ausübung von Vereinssport im Freien zu ermöglichen. Denn gerade im Kindes- und Jugendalter wird die Grundlage für lebenslanges Sporttreiben gelegt. Outdoor-Aktivitäten in den Vereinen tragen nach Einschätzung der Gesellschaft für Aerosolforschung in 99,9 Prozent nicht zu einer Virusübertragung bei und führen im Gegensatz zu Aktivitäten in kleinen Innenräumen so gut wie nie zu sogenannten ‘Clusterinfektionen‘.
Es ist daher höchste Zeit, Kinder und Jugendliche aus den teilweise beengten Kinderzimmern der elterlichen Wohnung heraus ins Freie zu holen und eine Allianz zum Neustart des Kinder- und Jugendsports zu schmieden. Im Freien und auf den Sportplätzen lässt sich das Ansteckungsrisiko nach Einschätzung der Experten vermeiden, wenn auf längere Gespräche mit geringem Abstand verzichtet wird. Bewegung dient der Gesundheitsprävention, Persönlichkeitsentwicklung und der sozialen Teilhabe. Gleichzeitig stärken wir unsere 90.000 Sportvereine, die seit Pandemiebeginn unter sinkenden Mitgliederzahlen leiden.
Dies ist umso dringlicher als nach Erkenntnissen der sogenannten COPSY-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf mittlerweile jedes dritte Kind Auffälligkeiten aufweist. Neben vermehrtem Übergewicht nimmt bei Kindern und Jugendlichen die motorische Leistungsfähigkeit stetig ab. Diesen langfristig negativen Auswirkungen müssen wir entgegentreten. Deshalb fordern wir seit längerem eine Sport-Allianz ‚Mit Schwung und Bewegung raus aus der Pandemie‘."
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung