Thema Pflege im Koalitionsvertrag: Ambitionierter Schritt in die richtige Richtung
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Der Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung, sorgt immer noch für viel Diskussionsstoff und kritische Bewertungen. Gerade Sozialthemen und Themen die Menschen mit Behinderungen betreffen, sorgen oft noch für Diskussionen. Sicherlich auch, weil viele Themen zwar im Koalitionsvertrag angesprochen sind, aber einige Inhalte noch viel zu global formuliert wurden.
Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege bewerten den Koalitionsvertrag als einen ambitionierten Schritt hin zu einer gerechteren und nachhaltigeren Gesellschaft mit Mut zu neuem Denken und kohärentem Handeln. Der deutliche Wille der Ampelkoalition zu einem echten Generationenvertrag ist erkennbar.
BAGFW-Präsident Ulrich Lilie (Diakonie): "Das Stückwerk der bisherigen Reformmaßnahmen hat nicht zu den gewünschten Verbesserungen in der Pflege geführt. Und schon vor Corona sind die Kosten, die von den pflegebedürftigen Menschen gezahlt werden müssen, in astronomische Höhen geschossen. Heute liegt der Bundesdurchschnitt für einen Platz im Pflegeheim bei unglaublichen 2.125 Euro im Monat. Der Pflegenotstand ist längst da - Corona hat ihn noch einmal massiv verschärft. Umso mehr begrüßen wir daher als Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, dass die Regierung aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen die Eigenanteile in der stationären Pflege begrenzen und die Bezahlung wie die Personalschlüssel in der Pflege verbessern werden. Dies war eine zentrale Forderung der Wohlfahrtsverbände."
BAGFW-Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (DRK) hebt hervor: "Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege stehen der neuen Bundesregierung als zuverlässige Partner für die kommende Legislaturperiode zur Seite, insbesondere bei der notwendigen, konkreten Ausgestaltung der Ziele. Hier kommt noch eine Menge Arbeit auf die neue Bundesregierung zu, zumal der ganze Koalitionsvertrag unter einem Finanzierungsvorbehalt steht. Wir freuen uns, dass die Wohlfahrtspflege im Koalitionsvertrag berücksichtigt ist. Wir erwarten nun, dass diese Bekenntnisse mit wirksamen Maßnahmen zur Sicherung und Stärkung der gemeinnützigen Dienste und Einrichtungen hinterlegt werden."
BAGFW-Vizepräsident Prof. Dr. Jens Schubert (AWO) bekräftigt: "Wir sehen das klare Bekenntnis zum Abbau von Kinderarmut. Die BAGFW hat sich lange dafür eingesetzt, das System der Familienleistungen zu vereinfachen und Leistungen zu bündeln. Verschiedene Wohlfahrtsverbände haben sich für eine Kindergrundsicherung stark gemacht. Insofern ist die Verankerung im Koalitionsvertrag sehr zu begrüßen und wir nehmen uns heraus, dass auch als Erfolg unseres langjährigen Engagements gegen Kinderarmut zu verstehen. An diesem Punkt wird es sehr auf die Umsetzung ankommen. Viele technische Details, viele Schnittstellenfragen sind zu klären. Wir werden uns auch weiter dafür einsetzen, dass wir eine existenzsichernde und sozial gerechte Kindergrundsicherung erreichen."
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), Bernd Meurer:
"Im Ampelkoalitionsvertrag finden sich gute Ansätze, aber keine wirklich wirksamen Maßnahmen zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung.
Ein Bonus für alle Pflegekräfte ist richtig. Dass die Ampel hier auch die Langzeitpflege berücksichtigt, begrüßen wir sehr. Es gibt bewährte Verfahren für die Umsetzung aus dem vergangenen Jahr, die nun wieder aufgegriffen werden sollten.
Mit der Übernahme der Kosten für Behandlungspflege durch die Krankenversicherung erfüllt die nächste Bundesregierung eine langjährige Forderung des bpa. Damit werden Pflegebedürftige und ihre Familien entlastet. Steuerfreie Zuschläge zeigen Wertschätzung für Pflegekräfte und machen den Beruf noch attraktiver, während die Erleichterung von Zuwanderung und Anerkennung ausländischer Abschlüsse die Gewinnung internationaler Kräfte stärkt. Digitalisierung und Entbürokratisierung können dabei helfen, die Versorgung einer dramatisch steigenden Zahl von Pflegebedürftigen zu sichern und den Pflegekräften eine Konzentration auf ihre Kernkompetenzen zu ermöglichen.
Personalentlastungen und Personalmehrung führen aber ebenso wie steigende Löhne zu höheren Kosten für die Pflegebedürftigen, ohne dass die Leistungen wie erforderlich dynamisiert werden. Die Ampelkoalition hat keinen Plan, wie sie mit steigenden Eigenanteilen bei gleichbleibenden Leistungen der Pflegeversicherung umgehen will.
Pflegeeinrichtungen sind systemrelevant. Es fehlen aber konkrete Vorhaben zu Zukunftssicherung der bestehenden Einrichtungen und für Investitionsanreize zur Schaffung zusätzlicher Infrastruktur, die angesichts einer steigenden Zahl von Pflegebedürftigen notwendig sind. Dafür müssen Wagnis und Gewinn der Pflegeeinrichtungen endlich anerkannt werden.
Ohne weitere Milliardeninvestitionen fehlen künftig die notwendigen Pflegeeinrichtungen und die ausgebildeten Pflegekräfte, die wir für die Versorgung brauchen. Das können nur private Unternehmen schultern und müssen dafür Anreize bekommen."
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung
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