NRW drängt auf finanzielle Entlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe
- Lesezeit: 5 Minuten
Die steigenden kommunalen Ausgaben für die Eingliederungshilfe sind zu einem wachsenden Problem geworden, das die Landesregierung Nordrhein-Westfalen aktiv angeht. Am 29. September 2023 brachte sie einen Entschließungsantrag in das Bundesrats-Plenum ein, um eine finanzielle Entlastung der Kommunen in dieser Angelegenheit einzufordern. Dieser Schritt ist eine Reaktion auf die anhaltende Belastung der kommunalen Haushalte durch die stark steigenden Ausgaben für soziale Leistungen, wobei die Eingliederungshilfe eine zentrale Rolle spielt.
Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die bundesweiten Nettoausgaben für die Eingliederungshilfe zwischen 2012 und 2022 um fast zehn Milliarden Euro gestiegen, was einem Anstieg von 69,1 Prozent entspricht. Diese rapide Kostensteigerung stellt die Kommunen vor erhebliche finanzielle Herausforderungen.
In dem Antrag aus Nordrhein-Westfalen wird die Bundesregierung aufgefordert, ihren seit 2018 unveränderten Beitrag zur Entlastung der Kommunen um mindestens weitere fünf Milliarden Euro anzuheben. Darüber hinaus soll diese finanzielle Beteiligung dynamisiert und an die Entwicklung der Ausgaben für die Eingliederungshilfe gekoppelt werden. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Länder und Kommunen nicht länger alleine mit den Kostenentwicklungen der Eingliederungshilfe konfrontiert werden und Menschen mit Behinderungen weiterhin eine möglichst selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird.
Die Landesregierung betont die Dringlichkeit dieser Maßnahmen angesichts des anhaltenden Wachstums der Zahl der Menschen mit Behinderungen und der damit verbundenen steigenden Bedarfe. Dieser Antrag wurde im Bundesrat eingebracht, um die Ausgabensteigerungen der kommunalen Aufgabenträger wirksam zu begrenzen und sicherzustellen, dass die finanzielle Unterstützung im Einklang mit den steigenden Ausgaben für die Eingliederungshilfe steht.
Die finanzielle Belastung der Kommunen durch die Eingliederungshilfe ist nicht nur eine Herausforderung für die kommunale Selbstverwaltung, sondern auch für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Landesregierung sieht es als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe an, eine angemessene Beteiligung des Bundes sicherzustellen, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten.
Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen: „Die Sozialausgaben steigen und steigen: Ein besonderer Faktor sind dabei die Ausgaben für die Eingliederungshilfe, die zu großen Teilen über die beiden Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen getätigt werden. Im Wege der Umlage werden kreisfreie Städte, Kreise und Gemeinden daran beteiligt. Seit 2018 stellt der Bund unverändert bundesweit jährlich 5 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Geld reicht vorne und hinten nicht mehr aus. Laut statistischem Bundesamt sind die bundesweiten Nettoausgaben in der Eingliederungshilfe zwischen 2012 und 2022 um fast zehn Milliarden Euro von 13,7 Milliarden Euro auf 23,2 Milliarden Euro gestiegen (plus 69,1 Prozent). Das können die Kommunen aus Bordmitteln nicht mehr stemmen. Es bedarf einer höheren und dynamisierten Bundesbeteiligung, denn die Eingliederungshilfe ist Bundesrecht.“
Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: „Die Zahl der Menschen mit Behinderungen wächst. Folglich muss uns auch Ihre Teilhabe mehr wert sein. Die Eingliederungshilfe ist eine tragende Säule zur Sicherung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und damit zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, zu der sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat. Die daraus resultierende Ausgabendynamik stellt die Länder und Kommunen bereits seit vielen Jahren vor große Herausforderungen. Es wird daher höchste Zeit, eine angemessene Beteiligung des Bundes an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe sicherzustellen.“
Der Entschließungsantrag aus Nordrhein-Westfalen wurde am 29. September in den Bundesrat eingebracht. Mit dem Entschließungsantrag will die Landesregierung die Ausgabensteigerungen der kommunalen Aufgabenträger wirksam begrenzen. Gründe für den Anstieg der Nettoausgaben um rund 69 Prozent seit 2012 sind vor allem die wachsende Anzahl Leistungsberechtigter sowie steigende Bedarfe einer immer älter werdenden Gesellschaft.
Der kontinuierliche Anstieg der Personen, die auf Leistungen der Eingliederungshilfe angewiesen sind sowie deren steigende Bedarfe, sind für die Kommunen mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Dies zeigt die Entwicklung der Ausgaben für die Eingliederungshilfe, deren Dynamik auch nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes weiter zugenommen hat. Nachdem im Zeitraum 2012 bis 2016 die jahresdurchschnittliche Zunahme der bundesweiten Nettoausgaben auf weniger als 700 Millionen Euro stiegen, legten die Eingliederungshilfeausgaben nach Inkrafttreten des Gesetzes zwischen 2017 und 2022 im Schnitt um 1,2 Milliarden Euro jährlich zu.
Hintergrund
Die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe steuern maßgeblich die Entwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen. Bereits in den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die Umlage der beiden Landschaftsverbände im Land Nordrhein-Westfalen im Besonderen durch die Entwicklung der Eingliederungshilfe geprägt ist. Aktuelle Erhöhungen der Landschaftsverbandsumlagen stehen in einem direkten Zusammenhang zwischen den Kosten für die Eingliederungshilfe auf der einen Seite und einer mangelnden bundesseitigen Refinanzierung auf der anderen Seite. Diese Umlageerhöhungen treffen auf Kommunalhaushalte, die derzeit erheblich unter Druck stehen.
Im Jahr 2022 erhielten laut amtlicher Statistik in Nordrhein-Westfalen rund 258 000 Personen Leistungen der Eingliederungshilfe zur selbstbestimmten Lebensführung.
Abschließend lässt sich sagen, dass die steigenden kommunalen Ausgaben für die Eingliederungshilfe ein wachsendes Problem darstellen, das nicht nur die finanzielle Stabilität der Kommunen bedroht, sondern auch die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben gefährdet. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat einen Entschließungsantrag eingebracht, um die Bundesregierung dazu aufzufordern, die finanzielle Belastung der Kommunen zu verringern und sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen weiterhin eine möglichst selbstbestimmte Teilhabe erfahren können. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Situation weiterentwickelt und welche Maßnahmen ergriffen werden, um diese wichtige gesellschaftliche Herausforderung anzugehen.