Digitalisierung als Behinderung zur Inklusion und Teilhabe
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Deutschland könnte man als Entwicklungsland bezeichnen, wenn es um Digitalisierung geht und doch kann Digitalisierung auch eine Gefahr für Inklusion und Teilhabe werden, wenn Digitalisierung als einzige Lösungsoption betrachtet wird. Konkret geht es um die Angebote in der öffentlichen Verwaltung. Der Antrag "X" wird ausgefüllt, vielleicht sogar über eine Webseite, also "online", dann aber von der bearbeitenden Behörde ausgedruckt, um weiter bearbeitet werden zu können.
Ein anderes Problem ist die fehlende globale Vernetzung, weil der zwar wichtige Datenschutz, zum Hindernis wird, wenn es um die behördenübergreifende Bereitstellung bestimmter Daten geht. Die Folgen sind Kosten, die am Ende den Staatshaushalt belasten, denn durch die fehlende Vernetzung ist ein Mehr an Personal erforderlich und Bürgerinnen und Bürger werden immer wieder durch den Antragsdschungel geschickt, fragen sich mittlerweile, warum bestimmte Daten immer wieder angegeben werden müssen.
Gerade für Menschen mit Einschränkungen könnte die Vereinfachung der Prozesse, eine "digitale Verwaltung" vom Vorteil werden, denn lange Anfahrtswege und Wartezeiten, reduzieren sich, was wiederum mehrere positive Aspekte mit sich bringt. Genau in diese Annahme steckt aber auch ein Fehler, denn mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention gibt es noch den Aspekt der Teilhabe und Inklusion, ein Aspekt, der mit der Digitalisierung auch vergessen werden könnte.
Die digitale Verwaltung kann für Menschen mit bestimmten Einschränkungen zur Barriere werden, denn nicht jeder Mensch ist in der Lage, digitale Angebote zu nutzen. Das gilt nicht nur für Menschen mit geringem Einkommen, die sich oft eben keinen PC/Notebook leisten können, um digitale Angebote nutzen zu können, aber auch für Menschen dessen Einschränkungen die Nutzung digitaler Inhalte verhindern.
Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag: „Die deutsche Verwaltung hinkt bei der Digitalisierung zwar mächtig hinterher, aber dennoch gibt es immer öfter staatliche Angebote, die als ‚digital only‘ angeboten werden, wie die 200 Euro Einmalzahlung für Studierende. Laut Verkehrsminister Wissing soll auch das 49-Euro-Ticket ab 2024 nur noch digital verfügbar sein. Natürlich braucht es eine gut digitalisierte Verwaltung, aber das darf nicht auf Kosten der Teilhabe gehen! Immerhin waren fast 3,5 Millionen Menschen in Deutschland noch nie im Internet, bei den über 65-Jährigen ist es jeder sechste. In einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft sind Menschen benachteiligt, denen es am Zugang zum Internet oder an den dafür nötigen Kompetenzen fehlt, aber auch diejenigen, die sich bewusst gegen digitale Prozesse entscheiden, z.B. aus Gründen der Datensparsamkeit und aus mangelndem Vertrauen in die IT-Sicherheit. Benachteiligt sind besonders häufig Ältere und ärmere Menschen. Wann immer es um Kommunikation oder Anträge gegenüber der öffentlichen Hand geht, muss jedoch in jedem Fall die Teilhabe und Barrierefreiheit sichergestellt sein. Unser Antrag auf ein Offlinezugangsgesetz hätte die notwendige Teilhabegarantie ohne Bremse für die Digitalisierung der Verwaltung schaffen können, weil er neben einem verpflichtenden analogen Zugang zu allen öffentlichen Leistungen auch die Möglichkeit geschaffen hätte, z.B. bei Bürgerbüros am Wohnort an Geräten der Behörde mit fachlicher Unterstützung digitale Anträge zu stellen. Diese Chance hat der Bundestag mit seiner Ablehnung verpasst. Ich fürchte, dass es künftig häufiger ‚digital first, Teilhabe second‘ heißen wird und, wie bisherige Beispiele zeigen, Menschen in materieller Not dadurch besonders benachteiligt werden.“
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung