Forderungen nach einer Kindergrundsicherung
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Bereits im März 2020 stellte die Bundestagsfraktion "Die Linke" einen Antrag für eine Kindergrundsicherung. (Drucksache: 19/17768) Das es einen Reformbedarf gibt, zeigt nicht nur der Antrag, sondern wird in immer mehr Bundesländern durch entsprechende Forderungen und Konzepte deutlich.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schreibt in der Juli Ausgabe arbeitsmarktaktuell (1146 kb) : Zwar gibt es keine allgemeingültige Definition einer Kindergrundsicherung, doch haben sich in der Debatte sechs charakteristische Eckpunkte herausgebildet, die wesentlich für eine Kindergrundsicherung sind:
- Die bestehenden kinderbezogenen Geldleistungen sollen gebündelt und zusammengefasst werden.
- Die Kindergrundsicherung soll leicht zugänglich sein und bei allen anspruchsberechtigten Haushalten auch ankommen.
- Das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen soll neu ermittelt werden. Angestrebt wird eine Leistungshöhe, die vor Armut schützt, soziale Teilhabe ermöglicht und (deutlich) über den derzeitigen Hartz-IV-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche liegt.
- Das Existenzminimum von Kindern im Sozialrecht („Kindergrundsicherung“) und im Steuerrecht („Wirkung Kinderfreibetrag“) soll vereinheitlicht werden.
Professorin Anne Lenze von der Hochschule Darmstadt, erstellte für das Bundesland Niedersachsen ein Gutachten. Professorin Lenze erklärt: „Insbesondere im Bereich der sozialen Teilhabe müssen Kinder aus armen Familien auf vieles verzichten. Das Bildungs- und Teilhabepaket kommt bei den Kindern und Jugendlichen häufig nicht an. Die Ergebnisse der Kindheitsforschung legen nahe, dass damit die Ursache für neue Ungleichheiten gelegt wird.“
Drei Sozial- beziehungsweise Familienministerinnen und -minister aus Baden-Württemberg, Bremen und Rheinland-Pfalz forderten bereits 2018 vom Bund die rasche Einführung einer Kindergrundsicherung. In der damaligen Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Münster sie am Rande : „Kinderarmut muss vermieden werden, eine bessere Teilhabe von Kindern und Jugendlichen ist notwendig, der Abbau bürokratischer Hürden ebenso.“
Zur Debatte um die Einführung einer Kindergrundsicherung erklärt Katja Dörner, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
„Jedes fünfte Kind wächst in Deutschland in Armut auf - diese Zahl stagniert seit Jahren auf einem besorgniserregenden Niveau, ohne dass die Bundesregierung aktiv wird. Und vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise droht die Kinderarmut zusätzlich zuzunehmen. Wir brauchen eine Gesamtstrategie, die allen Kindern ein Aufwachsen ohne Armut ermöglicht und ihre Bedürfnisse endlich in den Mittelpunkt stellt. Wir fordern deshalb die Einführung einer Kindergrundsicherung, die sich an den realen Bedarfen von Kindern orientiert und automatisch, ohne kompliziertes Antragsverfahren ausgezahlt wird. Als Sofortmaßnahme für die Zeit der Corona-Krise muss es einen monatlichen Aufschlag von 60 Euro auf die Regelleistungen von Kindern geben. Doch anstatt die Familienförderung endlich vom Kopf auf die Füße zu stellen, schreibt die Bundesregierung mit der vorgeschlagenen Erhöhung des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes die Ungerechtigkeit in der Familienförderung fort. So profitieren Familien mit hohen Einkommen weiterhin am meisten. Gerade den Familien, die finanziell am schlechtesten gestellt sind, kommen die steuerlichen Anpassungen und die Kindergelderhöhung nicht zugute. Hier ist endlich Handeln gefragt.“
Die SPD schreibt in ihrem Konzept zur Kindergrundsicherung: "Alle Kinder verdienen die gleichen Chancen im Leben. Die Unterstützung von Kindern und Familien in Deutschland ist vielfältig, dennoch wächst jedes fünfte Kind in unserem Land in Armut auf. Die SPD will das ändern – und plant einen grundlegenden Wechsel in der Familienförderung. Die sozialdemokratische Kindergrundsicherung soll deutlich einfacher werden als das heutige Dickicht an Einzelleistungen. Und besser: Denn für Familien mit kleinen und mittleren Einkommen soll es deutlich mehr geben."
„Ich bin überzeugt: In die Kinder zu investieren, ist die beste Zukunftsinvestition, die wir in Deutschland machen können“, betont Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. In einem reichen Land wie Deutschland könne es nicht sein, dass so viele Kinder in Kinderarmut sind. „Das müssen wir schleunigst beenden.“
Markus Weinberg (CDU/CSU) verdeutlichte in einer Rede vom 24.10.2019 im Deutschen Bundestag: "Eine allgemeine Kindergrundsicherung – in der Breite – lehnen wir momentan ab. Ich sage Ihnen auch ganz deutlich, warum: weil wir mit dem Familienstärkungsgesetz sehr konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht haben." Weinberg weiter: "wenn man die finanziellen Leistungen einmal zusammenrechnet, das Kindergeld mit 204 bis 235 Euro, den Kinderzuschlag und die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, könnte man die These aufstellen: Das ist bereits eine Art Kindergrundsicherung. "
Es herrscht somit sogar in der Koalition Uneinigkeit, wenn es um die Einführung einer Kindergrundsicherung geht.
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung