Urteil: Kostenfreier ÖPNV auch für Pflegebedürftige mit Hilfe zur Pflege
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Bewohner von Pflegeheimen, die Anspruch auf Hilfe zur Pflege haben, können sich auch dann kostenfrei im öffentlichen Personennahverkehr befördern lassen, wenn sie ihren Lebensunterhalt teilweise aus eigenem Einkommen bestreiten. Diese Regelung gilt laut einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. September in Kassel insbesondere auch für Heimbewohner, die aufgrund einer erheblichen Gehbehinderung auf die Unterstützung des Sozialhilfeträgers angewiesen sind, um die Heimkosten zu decken, selbst wenn ihr eigenes Einkommen nicht zur Deckung des gesamten Lebensunterhalts ausreicht.
Im konkreten Fall hatte die Klägerin, eine schwerbehinderte Bewohnerin eines Pflegeheims, die erforderlichen Voraussetzungen für die kostenfreie Beförderung erfüllt, da sie das Merkzeichen „G“ aufgrund ihrer Gehbehinderung trug. Obwohl sie über ein eigenes Einkommen verfügte, das jedoch nicht ausreichte, um die Heimkosten zu decken, hat der Sozialhilfeträger diese übernommen. Aus ihrem verbliebenen Einkommen erwarb die Klägerin eine Jahreswertmarke im Wert von 91 Euro für den öffentlichen Personennahverkehr, deren Kosten sie nun nach dem Urteil vom beklagten Sozialhilfeträger erstattet bekommt.
Rechtlich gesehen bezieht sich § 228 Absatz 4 Nummer 2 des Sozialgesetzbuches (SGB IX) zwar auf Personen, die laufende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten. Doch das Gericht stellte klar, dass auch Personen, die ausschließlich Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII beziehen, von der Regelung erfasst sind. Insbesondere gilt dies für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, die durch die Hilfe zur Pflege Teil des sozialen Sicherungssystems sind. Die Einführung des SGB XII im Jahr 2005 hatte eine Regelungslücke im SGB IX geschaffen, wodurch Heimbewohner, die nur Hilfe zur Pflege erhalten, nicht mehr automatisch von der Beförderungskostenbefreiung profitieren konnten.
Das Gericht betonte, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass der Gesetzgeber diesen Ausschluss der hilfebedürftigen Heimbewohner beabsichtigt hat. Die Anwendung der Befreiungsregelung auf diesen Personenkreis ist sachlich gerechtfertigt, und es gibt keinen plausiblen Grund für eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Sozialhilfeempfängern. Dies führte zu dem Ergebnis, dass auch die betroffene Klägerin Anspruch auf die Kostenerstattung für die von ihr erworbene Wertmarke hat.
Az.: B 9 SB 2/23 R