Sozialverband fordert mehr Unterstützung für pflegende Angehörige
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Der 8. September ist der Tag der pflegenden Angehörigen. Der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen fordert aus diesem Anlass die Politik auf, sich verstärkt um die Situation in der häuslichen Pflege zu kümmern.
„Viel zu lange galt dieses Thema als ,Stiefkind der Politik‘“, sagt der VdK-Landesvorsitzende Paul Weimann: „Dabei werden rund 85 Prozent der etwa 550.000 Pflegebedürftigen in Hessen und Thüringen daheim von Familienmitgliedern betreut, mehrheitlich sogar allein, ohne Hilfe durch professionelle Kräfte.“ Umfragen haben gezeigt, dass pflegende Angehörige sich mehr Unterstützung in ihrem oft herausfordernden und kräftezehrenden Alltag wünschen.
Doch daran mangelt es an vielen Orten. So kommt der 2023 veröffentlichte Landespflegebericht Hessen zu dem Ergebnis, dass „flächendeckende Unterstützungsstrukturen derzeit nicht existieren“. Das bedeutet: Wer pflegt, hat wenig Aussicht auf Entlastung. Weder gibt es genügend Angebote zur vorübergehenden Betreuung der pflegebedürftigen Person noch ausreichend praktische Hilfe, um zusätzlich zur Pflege den Haushalt zu bewältigen oder sogar noch arbeiten zu gehen. „Die hessische Landesregierung hat in ihren Koalitionsvertrag zahlreiche VdK-Vorschläge aufgenommen und angekündigt, diese möglichst schnell umzusetzen.
Daran möchten wir am Tag der pflegenden Angehörigen erinnern: Wir brauchen dringend mehr Plätze in der Tages-, Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie den Ausbau von niedrigschwelligen haushaltsnahen Dienst- und Entlastungsleistungen“, sagt Paul Weimann. Für Thüringen fordert der Verband, den Pflegeentwicklungsplan zeitnah umzusetzen und fortzuschreiben sowie die von der bisherigen Landesregierung gestarteten „Kurzfristmaßnahmen“ wie geplant zu ergreifen.
Dazu zählen unter anderem die Einrichtung und der Ausbau von Pflegestützpunkten und weiteren Beratungsangeboten. Darüber hinaus setzt sich der VdK dafür ein, pflegenden Angehörigen die Möglichkeit zu geben, sich von der Arbeit freistellen zu lassen und in dieser Zeit einen Lohnersatz zu beziehen. „Pflege darf nicht zur Armutsfalle werden. Wer diese verantwortungsvolle Aufgabe übernimmt, hat nicht nur unsere volle Anerkennung verdient, sondern auch eine finanzielle Absicherung in dieser besonderen Lebenssituation“, sagt der VdK-Landesvorsitzende
Der Bundesrechnungshof hat sich in seinem Bericht kritisch zum Haushaltsentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit geäußert. Er nimmt unter anderem Bezug auf Berechnungen des GKV-Spitzenverbandes, wonach in der Sozialen Pflegeversicherung für das gesamte Jahr 2024 mit einem Defizit von 1,5 Mrd. Euro und für das Jahr 2025 von 3,4 Mrd. Euro zu rechnen ist. Bereits Anfang des Jahres 2025 wird deshalb eine Anhebung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte notwendig.
Dazu Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer des VDAB: „Der Bericht des Bundesrechnungshofes macht erneut deutlich, wieviel finanzieller Druck auf die Pflege herrscht. Um diese Belastung in den Griff zu bekommen, sollte jedoch nicht alleine im Vordergrund stehen, woher mehr Geld kommt. Es muss im Hinblick auf die Versorgungssicherheit auch darum gehen, die vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. Dafür brauchen Pflegeunternehmen verlässliche finanzielle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wenn ihnen darüber hinaus endlich wieder unternehmerische Freiheiten und Gestaltungsspielräume eingeräumt werden, können sie Teil der Lösung werden, anstatt immer nur Objekt von Regulierung zu sein. Gesetzgeber und Kassen sind dringend aufgerufen, alle Struktur- und Bürokratievorgaben im Hinblick auf ihre Notwendigkeit und ihre Auswirkungen auf die Kosten zu prüfen und konsequent zu reduzieren.
Mit Drehen an kleinen Stellschrauben ist es nicht mehr getan. Es braucht dringend eine Strukturreform, einen „New Deal“ für die Pflege, an dessen Gestaltung sich Kassen, Leistungserbringer, Branche, Politik und Gesellschaft beteiligen. Dabei sollte eine ehrliche Bestandsaufnahme und Prognose vorgenommen werden, welche Ressourcen in der professionellen Pflege verlässlich zur Verfügung stehen. Bleibt es weiterhin beim bestehenden System, werden die Versorgungslücken größer werden, während die Kosten für die Allgemeinheit und die Pflegebedürftigen weiter steigen.“