Patientendaten-Schutz-Gesetz - Fordert Spahn zu viel?
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Heute kommt es zur Anhörung um das Patientendaten-Schutz-Gesetz und deren Ergebnis kann maßgeblich dafür sein, welche Änderungen der Gesundheitsausschuss an dem Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) durchführen wird.
Das Gesetz hat insbesondere zum Ziel:
- die Möglichkeiten und Vorteile der elektronischen Patientenakte für alle Versicherten nutzbar zu machen, in gewissem Umfang auch dann, wenn sie nicht über geeignete Endgeräte verfügen
- die elektronische Patientenakte hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Nutzung, der Verarbeitungsbefugnisse und der Zugriffskonzeption näher auszugestalten
- die Dynamik bei der Einführung der medizinischen Anwendungen der Telematikinfrastruktur durch Anreize und Fristen weiter zu erhöhen
- die Regelungen des Fünften Buches zur Telematikinfrastruktur und zu ihren Anwendungen in ihrer Struktur an die Anforderungen der inhaltlichen Weiterentwicklung der medizinischen Anwendungen und an die Ausgestaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben anzupassen
- die Datenverarbeitung sowie die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit in der Telematikinfrastruktur im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben differenziert zu regeln.
Die Digitalisierung kann Vorteile bringen, wenn diese auch datenschutzrechtlich allen Anforderungen entspricht. Kritik gibt es von der Fraktion "Die Linke". Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE: „Der Name Patientendaten-Schutz-Gesetz ist irreführend, denn der Gesetzesentwurf sieht vor, eben diesen Schutz durch die Freigabe von Daten der elektronischen Patientenakte (ePA) für wissenschaftliche Forschungszwecke zu konterkarieren. Das Netzwerk Datenschutzexpertise kommt zu dem Schluss, dass Betroffene zu Recht der Nutzung ihrer Daten gegenüber skeptisch sein sollten, da keine Garantien zum Schutz ihrer Daten vorgesehen sind. Die Forschungsdatenregelung verstoße gegen europäisches Verfassungsrecht und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Mit dem Gesetzesentwurf wird zudem, wie der Chaos Computer Club (CCC) in seiner Stellungnahme anmerkt, auf ein unsicheres Verfahren von Zugangsberechtigungen zur Telematikinfrastruktur gesetzt. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte attestiert dem Gesetzesentwurf schwerwiegende datenschutzrechtliche Mängel."
Begleitend gibt es zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/18793) mehrere Anträge aus den Reihen der Opposition:
- FDP - Prozesse im Gesundheitswesen durch Digitalisierung modernisieren (19/18946)
- DIE LINKE - Elektronisches Rezept freiwillig und sicher ausgestalten (19/18943)
- DIE LINKE - Patienteninteresse voranstellen und gemeinwohlorientierten Gesundheitsdatenschutz einführen (19/18944)
- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patientenorientierung und Patientenbeteiligung in der Digitalisierung im Gesundheitswesen sicherstellen und dezentrale Forschungsdateninfrastruktur aufbauen (19/19137)
Wann dann das Ergebnis des Ausschuss vorliegt und im Deutschen Bundestag die Ausschussfassung zur Abstimmung kommt, ist noch offen. Die Bundesärztekammer (BÄK) sieht in dem Gesetz eine Chance, warnt aber auch:
„Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird nur dann zu einem Erfolg, wenn alle Beteiligten in der Patientenversorgung digitale Anwendungen akzeptieren und intensiv nutzen. Die in dem Entwurf der Bundesregierung für ein Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) vorgesehenen Anreize sind ein sinnvoller Schritt, Ärzten den Einstieg in die medizinischen Anwendungen der Telematik-Infrastruktur zu erleichtern“, betont Erik Bodendieck, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer (BÄK), vor der öffentlichen Anhörung des Gesetzentwurfs am kommenden Mittwoch im Deutschen Bundestag. Für die erste Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) regt Bodendieck einen „Patientenpass“ mit medizinischen Basisinformationen an. Der ohnehin konzipierte Notfalldatensatz sei dazu das geeignete Format, so Bodendieck.
Den Förderzeitraum von zwölf Monaten hält er aber für zu kurz. Die Anlage hochwertiger Notfalldatensätze könne für eine Hausarztpraxis viel Organisations-und Rechercheaufwand bedeuten. Es biete sich eher an, den Förderzeitraum nicht zu begrenzen, dafür aber eine Förderobergrenze festzulegen, die in maximal zwei Jahren auszuschöpfen sei.
Im scharfen Kontrast zu den Anreizmechanismen stünden die mit dem Gesetz vorgesehenen Sanktionen, unter anderem Honorarkürzungen für Ärzte, wenn sie bis zum 30. Juni 2021 nicht über die notwendigen Komponenten und Dienste für den Zugriff auf die ePA verfügten. Ein Vertragsarzt könne nicht beeinflussen, ob er die für die ePA benötigte Technologie rechtzeitig bekomme. Daher könne man ihn auch nicht dafür bestrafen, stellt Bodendieck klar und fordert die ersatzlose Streichung dieser Sanktionsmöglichkeit.
Einer weiteren Bestimmung zufolge sollen Versicherte die Inhalte ihrer ePA an ihre Krankenkasse übermitteln können, wenn sie kassenspezifische Angebote nutzen wollen. Die Krankenkassen wiederum sollen diese Daten verarbeiten dürfen. Das würde ihnen Therapieangebote ermöglichen, ohne Kenntnis des behandelnden Arztes. Auch dieser Passus sollte nach dem Willen der BÄK entfallen. „Mindestens sollte der behandelnde Arzt über solche Angebote an den Patienten informiert werden. Ansonsten kann das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient Schaden nehmen“, warnt Bodendieck.
Hinsichtlich der Datennutzung zu Forschungszwecken soll mit dem PDSG eine Rechtsgrundlage zur freiwilligen Datenfreigabe geschaffen werden. Das sei grundsätzlich sinnvoll, sagt Bodendieck. Allerdings gebe es dazu noch dringenden Nachbesserungsbedarf. Eine differenzierte Betrachtung dieses neuen Konstruktes solle in einem eigenen Gesetz erfolgen. Eine Ausnahme von der freiwilligen Datenfreigabe solle bei der Forschung zu hochbrisanten Pandemien gelten („Lex Corona“). „Hier muss unter bestimmten Voraussetzungen die Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten einschließlich genetischer Daten auch ohne Einwilligung der betroffenen Person zulässig sein“, fordert die BÄK.
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung