Teil 6: Recht auf Teilhabe an der Gesellschafft – Nicht für jeden?
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Um der Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gerecht zu werden, gilt auch in Deutschland der Grundsatz des Rechtes auf Teilhabe am gesellschaftlichem Leben, was aber in der Praxis für viele SGB XII Empfänger (Sozialhilfe) Utopie ist.
Um diese Aussage zu untermauern sind einige grundlegende Betrachtungen erforderlich. Wie schon in einigen Artikeln beschrieben, sind SGB XII Empfänger oft Menschen mit Behinderung. Dabei spielt der Grad ihrer Erwerbsfähigkeit keine Rolle.
Viele dieser Menschen stehen vor Problemen die oft weder bewusst noch bekannt sind. Diese Probleme werden gerade bei jenen deutlich, die in Randgebieten leben und auf öffentliche Verkehrsmittel (ÖPNV) angewiesen sind, denn nicht jeder der betroffenen Personengruppe verfügt automatisch über einen Schwerbehinderten Ausweis mit entsprechendem Merkzeichen, welcher die vergünstigte Nutzung des ÖPNV ermöglicht.
Zur Teilhabe am gesellschaftlichem Leben zählen aber auch kulturelle Veranstaltungen, wie Konzerte. Selbst der Gastronomiebesuch ist ein unweigerlicher Punkt, der zur gesellschaftlichen Teilhabe gehört.
Gehen wir mal auf diese drei Punkte ein:
ÖPNV: In vielen Städten werden für Empfänger von SGB XII Leistungen, Ermäßigungskarten angeboten. Für den Punkt „Verkehr“ sieht das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – (RBEG) 32,90 Euro vor.
Die Stadt Berlin bietet bspw. für 27,50 Euro in den innerstädtischen Tarifgebieten das S- Ticket an (nur für Inhaber des Berlinpass, der nach Vorlage des Nachweises zur Berechtigung von SGB XII Leistungen in den Bürgerämtern erhältlich ist). Info hier als PDF-Download
Anders sieht es bspw. in Hamburg aus. Dort gibt es die Sozialkarte (Infos hier: http://www.hamburg.de/sozialkarte/ ) die eine Ermäßigung auf Zeitkarten (Wochen/Monatskarte)von 21,50 Euro ermöglicht.
Problematisch wird es aber, wenn die Karte eben nicht den benötigten Tarifbereich abdeckt. In Berlin werden mit dem S-Ticket bspw. die Randgebiete gar nicht abgedeckt. Da kann es schnell zu einer nicht überwindbaren Problematik werden, wenn man an einem kulturellen Ereignis teilhaben möchte, da der kulturelle Mittelpunkt in den meisten Städten sich eben auf den Innenstadtbereich begrenzt. Somit kommt es hier schnell zur Ausgrenzung
Das Bundesamt für Arbeit und Soziales schreibt uns dazu (Zitat):
Die Lebensunterhaltsbedarfe nach dem SGB XII oder dem SGB II beinhalten keine Abdeckung einer uneingeschränkten Mobilität durch ÖPNV oder sonstige kostenpflichtige Angebote.
Solche Aussagen unter den Aspekt der grundrechtlichen gesicherten Teilhabe am gesellschaftlichem Leben sind erschreckend. Kritiker könnten hier sogar vermuten, dass man tatsächlich seitens der BMAS die Einschränkung der Teilhabe und somit einen Verstoß gegen die UN-BRK in Kauf nimmt.
Leider war man seitens des BMAS zu keiner weiteren Stellungnahme bereit.
Gastronomie:
Viele gesellschaftlichen Treffen, mit Freunden und Familie, finden heutzutage in gastronomischen Einrichtungen statt. Egal ob Restaurant, die Kneipe um die Ecke oder in einem Schnell- Restaurant.
Hier führt das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz einen Monatsbeitrag von 9,82 Euro auf. Das mag sicherlich für die Curry- Wurst um die Ecke noch reichen und ermöglicht sogar mehrere Besuche pro Monat. Doch spätestens, wenn es um den Restaurantbesuch geht, enden hier die Möglichkeiten. Auch wenn die Fast-Food-Kette hier noch Möglichkeiten bietet, aber bereits bei einem Fach- Restaurant liegen die Preise meist zwischen 15-30 Euro und die betroffenen SGB XII Empfänger müssen sich mit der Entschuldigung „Das kann ich mir nicht leisten“ der gesellschaftlichen grundrechtlich zugesicherten Teilhabe, entziehen.
Genau aus solchen Situationen entsteht dabei nicht selten die soziale Isolation. Aussagen wie „Der/die hat ja sowieso kein Geld“ sind da nicht selten.
Kulturelle Teilhabe:
Für „Freizeit Unterhaltung und Kultur“ sieht das RBEG einen Betrag vor, mit dem sich einiges anstellen lässt. Es sind immerhin 37,88 Euro. Der Kinobesuch ist damit gesichert. Der Konzertbesuch könnte hingegen schon wieder problematisch werden, denn Konzerte zwischen 50 – 200 Euro sind keine Seltenheit mehr.
Aber auch hier gibt es in vielen Städten und Gemeinden Angebote, die es ermöglichen mit entsprechenden Nachweisen Rabatte zu erhalten. Es macht also durchaus sind, sich hier einmal die Regionalen Angebote anzuschauen. Rabatte bis zu 50% sind in einigen Gemeinden keine Seltenheit.
Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren:
Ein „heiß“ umstrittener Punkt. Das RBEG sieht hier 137,66 Euro vor. Macht etwa 4,86 Euro pro Tag. Alleine für Nahrung und Getränke kann dieser Punkt zu einem Dartseilakt werden. Gerade wenn jemand wegen seiner Behinderung nicht mal eben den weiter entfernten Supermarkt einer Billigkette aufsuchen kann und froh ist, wenn der Bewegungsradius zu dem deutlich teureren Supermarkt um die Ecke reicht. Wer dann noch Tabakwarenkonsument ist, für den kann es zu einem Kunstwerk werden, den Tag mit 4,58 Euro zu überleben. Da ist schon eine sehr gute Planung gefragt um sich mit dem Tagesbudget gesund zu ernähren. Genau dort fängt aber wieder das Problem mit den günstigen Einkaufsquellen an, die eben nicht für jeden Menschen mit Behinderung leicht oder wenn überhaupt erreichbar sind. Fremde Hilfe ist für betroffene meist nur schwer zu finden. Vielen bleibt daher das Hungern.
Für Menschen die eine medizinisch bedingte Ernährung bedürfen ist zu beachten (Zitat BMAS):
Menschen, die aus nachweisbaren medizinischen Gründen einen besonderen Ernährungsbedarf haben, der zu höheren Kosten als eine „normale“ Ernährung führt, haben Anspruch auf den sogenannten ernährungsbedingten Mehrbedarf (§ 30 Absatz 5 SGB XII, § 21 Absatz 5 SGB II).
Schlussanmerkung:
Die angegebenen Zahlen aus dem Regelbedarfsermittlungs- Gesetz haben natürlich keine Bindung in dem Sinne, dass die angegebenen Werte auch nur für die Position zu verwenden sind. Im Einzelfall wird es hier sicherlich eine andere Verteilung geben.
Wie wir aber wissen, sind es gerade die Menschen mit Behinderung die durch den Bedarf an SGB XII Leistungen, erhebliche Einschränkungen haben, die die eigentliche Teilhabe an der Gesellschaft, sowie das persönliche Leben, nicht nur erschweren, sondern sogar teilweise unmöglich machen.
Aktuell sind die Regelbedarfe für einen Einpersonenhaushalt wie folgt aufgegliedert:
Abteilung 1 und 2 (Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren) | 137,66 Euro |
Abteilung 3 (Bekleidung und Schuhe) | 34,60 Euro |
Abteilung 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung) | 35,01 Euro |
Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung) | 24,34 Euro |
Abteilung 6 (Gesundheitspflege) | 15,00 Euro |
Abteilung 7 (Verkehr) | 32,90 Euro |
Abteilung 8 (Nachrichtenübermittlung) | 35,31 Euro |
Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) | 37,88 Euro |
Abteilung 10 (Bildungswesen) | 1,01 Euro |
Abteilung 11 (Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen) | 9,82 Euro |
Abteilung 12 (Andere Waren und Dienstleistungen) | 31,31 Euro |
Der folgende Beitrag der Sendung „Monitor“ bezieht sich zwar auf Hartz IV Empfänger, lässt sich aber sicherlich auch auf SGB XII Empfänger übertragen.