Parlament positioniert sich zur EU-Arzneimittelreform
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Die Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts soll die Versorgung mit Arzneimitteln verbessern und sie leichter zugänglich und erschwinglicher machen, sowie Innovation unterstützen.
Das Gesetzespaket, das Humanarzneimittel betrifft, besteht aus einer neuen Richtlinie (angenommen mit 495 gegen 57 Stimmen bei 45 Enthaltungen) und einer Verordnung (angenommen mit 488 gegen 67 Stimmen bei 34 Enthaltungen).
Anreize für Innovation
Die Abgeordneten wollen einen Unterlagenschutz von mindestens siebeneinhalb Jahren für neue Arzneimittel einführen (während dessen andere Unternehmen keinen Zugang zu Produktdaten haben), zusätzlich zu dem Zeitraum des Marktschutzes von zwei Jahren nach der Marktzulassung (in dem Generika oder Biosimilars nicht verkauft werden dürfen).
Pharmaunternehmen hätten Anspruch auf zusätzliche Datenschutzfristen, wenn sie medizinische Versorgungslücken schließen (+12 Monate), wenn sie vergleichende klinische Prüfungen durchführen (+6 Monate) und wenn ein erheblicher Teil der Forschung und Entwicklung des Arzneimittels in der EU und zumindest teilweise in Zusammenarbeit mit EU-Forschungseinrichtungen stattfindet (+6 Monate). Die Abgeordneten fordern außerdem eine Obergrenze für die kombinierte Datenschutzfrist von achteinhalb Jahren.
Eine einmalige Verlängerung (+12 Monate) der zweijährigen Marktschutzfrist könnte gewährt werden, wenn das Unternehmen eine Zulassung für eine zusätzliche therapeutische Indikation erhält, die im Vergleich zu bestehenden Therapien einen signifikanten klinischen Nutzen bietet.
Für Arzneimittel, die zur Behandlung seltener Krankheiten entwickelt wurden („Orphan Drugs“), soll eine Marktexklusivität von bis zu elf Jahren gelten, wenn mit ihnen “große Lücken in der medizinischen Versorgung geschossen werden”.
Bekämpfung der Resistenz gegen antimikrobielle Wirkstoffe
Um die Forschung und die Entwicklung neuartiger antimikrobieller Mittel zu fördern, wollen die Abgeordneten Markteintrittsprämien und Zahlungen für die Erreichung von Etappenzielen einführen (z. B. finanzielle Belohnung in der Frühphase, wenn bestimmte FuE-Ziele vor der Marktzulassung erreicht werden). Diese würden durch ein Abonnementen-Modell im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen über die gemeinsame Beschaffung ergänzt werden, um Investitionen in antimikrobielle Mittel zu fördern.
Sie befürworten die Einführung eines „übertragbaren Gutscheins für die Unterlagenexklusivität“ für prioritäre antimikrobielle Mittel, der einen zusätzlichen Datenschutz von maximal 12 Monaten für ein zugelassenes Produkt vorsieht. Der Gutschein könnte nicht für ein Erzeugnis verwendet werden, für das bereits der maximale Zeitraum für den Unterlagenschutz gilt, und wäre nur einmal auf einen anderen Zulassungsinhaber übertragbar.
Zitate
Die Berichterstatterin für die Richtlinie, Pernille Weiss (EVP, DK), sagte: „Die Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts ist für Patienten, Industrie und Gesellschaft von entscheidender Bedeutung. Die heutige Abstimmung markiert einen wichtigen Schritt hin zur Bereitstellung von Instrumenten zur Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen, insbesondere im Hinblick auf die Marktattraktivität und den Zugang zu Medikamenten in allen EU-Ländern. Wir hoffen, dass der Rat unseren Ehrgeiz und unser Engagement für die Schaffung eines soliden Rechtsrahmens zur Kenntnis nimmt, der die Grundlage für wirksame Verhandlungen bildet."
Der Berichterstatter für die Verordnung, Tiemo Wölken (S&D, DE), sagte: "Diese Überarbeitung ebnet den Weg zur Bewältigung kritischer Herausforderungen wie Arzneimittelknappheit und Antibiotikaresistenz. Wir stärken unsere Gesundheitsinfrastruktur und erhöhen unsere kollektive Widerstandsfähigkeit im Hinblick auf künftige Gesundheitskrisen - ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer gerechteren und besser zugänglichen Gesundheitsversorgung für alle Europäer. Maßnahmen, die den Zugang zu Arzneimitteln verbessern und gleichzeitig Anreize für Bereiche mit medizinischem Versorgungslücken schaffen, sind entscheidende Bestandteile dieser Reform."
Nächste Schritte
Das Dossier wird vom neuen Parlament nach den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni weiterverfolgt werden.
Hintergrund
Das von der Europäischen Kommission im April 2023 vorgelegte "Maßnahmenpaket Arzneimittel" umfasst eine neue Richtlinie und eine neue Verordnung. Die vorgeschlagene Überarbeitung soll die Versorgung mit Arzneimitteln verbessern und sie leichter zugänglich und erschwinglicher machen, sowie die Innovationstätigkeit unterstützen, die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der EU-Arzneimittelindustrie steigern und gleichzeitig höhere Umweltstandards fördern.
Mit der Annahme dieses Berichts reagiert das Parlament auf die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, die strategische Autonomie der EU bei Arzneimitteln und den Zugang zu hochwertigen und erschwinglichen Behandlungen in der gesamten EU zu gewährleisten, Fragen der Versorgungssicherheit anzugehen, in strategische Sektoren zu investieren und Bürokratie abzubauen, wie es in den Vorschlägen 8(3), 10(2), 12(4), 12(6), 12(12), 12(17), 17(3) und 17(7) der Schlussfolgerungen der Konferenz zur Zukunft Europas zum Ausdruck kommt.