Urteil: Jobcenter zur Beschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme an pandemiebedingtem Hausschulunterricht
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Pandemiebedingt bleiben viele Schulen geschlossen und das Wort Homeschooling gewinnt an Bedeutung. Doch nicht jeder Haushalt ist dazu in der Lage, die notwendige Ausstattung für die Kinder finanziell zu tragen. Entweder ist der bestehende Computer nicht für das Homeschooling geeignet oder im Haushalt ist gar kein Computer vorhanden. Es muss entsprechend ein Computer beschafft werden, wenn die Schule keine Alternative anbieten kann. In Thüringen führte das Thema zu einer Klage vor dem Landessozialgericht Thüringen.
Die Mutter eine Mädchens der 8. Klasse, bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II/Hartz IV). Beim Jobcenter Thüringen beantragte die Mutter die Übernahme der Kosten für einen Computer sowie Drucker nebst Zubehör für den Schulunterricht. Dieser Antrag wurde seitens des Jobcenters abgelehnt. Ebenfalls verneinte das Sozialgericht Nordhausen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen Anspruch.
Ganz anders entschied das Landessozialgericht Thüringen: "Das Thüringer Landessozialgericht hat auf die Beschwerde der Antragstellerin hin durch Beschluss vom 8. Januar 2021 den Beschluss des Sozialgerichts abgeändert und das Jobcenter im Wege der Einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ein internetfähiges Endgerät nebst Zubehör (Bildschirm, Tastatur, Maus, Drucker und drei Druckerpatronen) zur Verfügung zu stellen. Alternativ hat es dem Jobcenter gestattet, diese Verpflichtung auch dadurch zu erfüllen, dass es die Kosten in Höhe von maximal 500,00 Euro für die Beschaffung durch die Antragstellerin selbst übernimmt. Im Übrigen hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen.", teilte das Landessozialgericht hierzu mit.
Allerdings verwies das Landessozialgericht (LSG) darauf, dass die Antragstellerin jedoch keinen Anspruch auf das von ihr ausgewählte Gerät hat, dessen Preis sie im Verwaltungsverfahren mit 720,00 Euro ohne Druckerpatronen beziffert hat. Das LSG weiter: "Nach dem SGB Il besteht kein Anspruch auf bestmögliche Versorgung, sondern nur auf Befriedigung einfacher und grundlegender Bedürfnisse. Die Antragstellerin muss sich daher auf ein kostengünstiges und gegebenenfalls gebrauchtes zweckentsprechendes Gerät verweisen lassen. Die Verpflichtung aus der Einstweiligen Anordnung kann der Antragsgegner erfüllen, indem er der Antragstellerin entweder ein internetfähiges Endgerät nebst Zubehör zur Verfügung stellt.". Die Entscheidung ist unanfechtbar, so das LSG (Az.: L 9 AS 862/20 B ER).
Leider kommt es immer wieder vor, dass die Jobcenter Anträge auf Mehrbedarf für bestimmte notwendige Dinge abweist und begründet dieses damit, dass dieser Bedarf über den Regelbedarf abgedeckt sind. Für 2021 sieht der Regebedarf folgendes vor:
Nahrung, alkoholfreie Getränke | 154,78 € |
Freizeit, Unterhaltung, Kultur | 43,52 € |
Post und Telekommunikation | 39,88 € |
Bekleidung, Schuhe | 37,01 € |
Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung | 38,32 € |
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände | 27,17 € |
andere Waren und Dienstleistungen | 35,53 € |
Verkehr | 40,01 € |
Gesundheitspflege | 17,02 € |
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen | 11,65 € |
Bildung | 1,61 € |
Rechnerisch ließen sich zwar einige Bedarfe durch die Corona-Krise umrechnen, doch die Corona-Krise sorgt für neue finanzielle Belastungen, wie die Zusatzkosten durch die Hygienemaßnahmen. Ob medizinische Masken (Hier nachzulesen: Bundesregierung zu Hartz IV – Wer zahlt die medizinischen oder FFP2-Masken bei Menschen mit Grundsicherung?) oder Desinfektionsmittel, sowie zusätzliche Kommunikationskosten, da viele Ämter nur noch auf elektronischem Weg erreichbar sind.
Mittlerweile sind viele Solo- Selbstständige oder Kleinunternehmer auf Hartz IV Leistungen angewiesen, Finanzreserven aufgebraucht. Ob die Jobcenter mit solchen Grundhaltungen wirklich dazu beitragen, dass die Menschen auch psychisch die Pandemie unbeschadet überwinden, wird sicherlich noch zu diskutieren sein. Außer von den Oppositionsparteien, scheinen die sozialen Schicksale politisch kaum Bedeutung zu haben.
Autor: kro / © EU-Schwerbehinderung