Deutschland muss seine völkerrechtliche Verpflichtung zur Inklusion endlich erfüllen
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Zu den „Abschließenden Bemerkungen“ des Prüfberichtes des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Deutschland erklärt der Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Gesundheitsausschuss, Hubert Hüppe.
Nachdem jüngst der Fachausschuss der Vereinten Nationen (UN) für die Rechte von Menschen mit Behinderungen schonungslos schwere Versäumnisse Deutschlands bei der Umsetzung der Behindertenrechtkonvention offenbart hatte, stellt sich jetzt das Ergebnis der Staatenprüfung hierzulande noch schwerwiegender dar.
In den „Abschließenden Bemerkungen“ des Prüfberichtes decken die Experten des UN-Ausschusses auf, dass Deutschland allenthalben nur ungenügend und viel zu mutlos die Inklusion umsetzt. Die äußerst mangelhaft bewertete Leistung betrifft alle Lebensbereiche, insbesondere jedoch die schulische Bildung.
Die folgeschweren Versäumnisse hierzulande bei der Umsetzung Inklusiver Bildung werden klar aufgezeigt. So wird die Existenz von aussorndernden „Förderschulen“ scharf kritisiert und die zahlreichen Hindernisse für den Ausbruch aus den starren Sonderstrukturen in eine Regelschule angemahnt. Beanstandet wird die Stigmatisierung von Schülern mit Behinderungen und das verbreitete falsche Inklusionsverständnis bei Exekutivorganen, die oftmals den Wunsch der Eltern, ihre Kinder in einer Regelschule anzumelden, als Hinweis auf die "Unfähigkeit, sich um ihr Kind zu kümmern" werten könnten.
Es ist ernüchternd, dass der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in seinem Prüfbericht an seinen alten Appell aus dem Jahr 2015 erinnern muss. Deutschland wird aufgefordert, rigoros seine inklusionspolitischen Verpflichtungen einzuhalten und in enger Absprache mit und unter aktiver Beteiligung von Betroffenen einen umfassenden Aktionsplan zur Beschleunigung des Übergangs von der Sonderschule („Förderschule“) zur Inklusiven Bildung auf allen staatlichen Ebenen zu entwickeln und diesen mit einem konkreten Zeitplan zu versehen. Personelle, technische und finanzielle Ressourcen sowie klare Verantwortlichkeiten für die Umsetzung des Aktionsplans und Monitoring sollen ebenfalls erarbeitet werden. Es wird der Aufruf adressiert, Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen durchzuführen, durchgängig das Schulpersonal fortzubilden und u.a. bauliche Barrierefreiheit durchzusetzen.
Als ein Staat, der bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention eine Vorreiterrolle einnehmen sollte, hat Deutschland bei der UN-Staatenprüfung sein Gesicht verloren. Die Bundesregierung muss den alarmierenden Prüfbericht des internationalen Fachgremiums für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehr ernst nehmen und sich der Umsetzungsaufträge beherzt annehmen. Das gilt auch für die Politik auf Landes- und Kommunalebene. Der Stand der Umsetzung der Inklusion muss immer wieder auf den Prüfstand, umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Deutschland muss endlich Wirklichkeit werden.
„Deutschland setzt die UN-Behindertenrechtskonvention nur unzureichend um und wird dafür vom zuständigen UN-Fachausschuss deutlich gerügt“, fasst Prof. Dr. Sigrid Arnade das kürzlich bekannt gewordene Prüfergebnis der Staatenprüfung Ende August in Genf zusammen. Die Vorsitzende des Sprecher*innenrats des Deutschen Behindertenrats (DBR) sieht sich durch die sogenannten „Abschließenden Bemerkungen“ des UN-Ausschusses bestätigt: „Die mangelhafte Inklusion in der Bildung und in der Arbeitswelt, die fehlende Deinstitutionalisierung, die unzureichende Verpflichtung privater Anbieter von Waren und Dienstleistungen zu Barrierefreiheit und angemessenen Vorkehrungen werden vom UN-Ausschuss genauso kritisiert wie von uns“.
Besonders besorgt habe sich der Ausschuss angesichts jeglicher Zwangsmaßnahmen einschließlich der zwangsweisen Institutionalisierung sowie des mangelhaften Schutzes vor Gewalt geäußert. „Hier wird wie auch an vielen anderen Stellen die besondere Betroffenheit behinderter Frauen betont und eine umfassende Gewaltschutzstrategie gefordert“, erläutert Arnade.
Als Querschnittsthemen hat sie außerdem den großen Fortbildungsbedarf, geflüchtete Menschen mit Behinderungen und den Appell zu einer besseren Partizipation behinderter Menschen und ihrer Organisationen identifiziert. „Unsere Kritik an der deutschen Behindertenpolitik, die wir in unserem Parallelbericht und in Genf vor Ort geäußert haben, ist von den Ausschussmitgliedern verstanden worden und spiegelt sich in dem Dokument wider“, so das Resümee der Sprecher*innenratsvorsitzenden.
Bislang liegen die „Abschließenden Bemerkungen“ in einer vorläufigen Fassung in englischer Sprache vor. Mit der endgültigen Version wird Ende September gerechnet. Eine deutsche Fassung soll zeitnah erstellt werden.