Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung - Warum der Tag so wichtig ist
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Heute ist der "Internationale Tag der Menschen mit Behinderung", ein Tag der gerne dazu genutzt wird um auf Defizite in der Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit zu verdeutlichen. Im Abgeordnetenhaus von Berlin, tagte gestern das Behindertenparlament (wir berichteten: Berliner Behindertenparlament: Ein Schritt in Richtung Inklusion und Partizipation) und dort wurden bereits viele Themen angesprochen, die Menschen mit Behinderungen betreffen und vor allem die Defizite zur Teilhabe und Inklusion noch transparenter machen.
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen appellierte die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Christine Braunert-Rümenapf, an den Berliner Senat, die Rechte von Menschen mit Behinderungen wesentlich stärker bei ihren Vorhaben zu beachten. Handlungsbedarf bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sieht die Landesbeauftragte insbesondere im Bildungsbereich, im barrierefreien- und rollstuhlgerechtem Wohnungsbau und dem weiteren barrierefreien Ausbau des ÖPNV.
Wenn die Bundesregierung auf den Internationalen Tage der Menschen mit Behinderungen aufmerksam macht und in diesem Kontext ihre Ziele aus dem Koalitionsvertrag verdeutlicht, dann klingt das erst einmal gut, doch für betroffene hat das Thema einen bitteren Beigeschmack. Warum ist überhaupt ein Internationaler Tage der Menschen mit Behinderungen notwendig? Ist es nur dieser eine Tag an dem Menschen mit Behinderungen in den Fokus geraten, oder repräsentiert dieser Tag am Ende nur, was behindertenpolitisch versäumt wurde?
Forderungen kosten immer auch Geld. Das oft hinter den Forderungen die Konzepte zur Umsetzung und Finanzierung fehlen, ist mittlerweile bekannt und führt oft auch dazu, dass Forderungen erst garnicht weiterverfolgt werden, ein Ergebnis bewusst nicht dokumentierter Nachfragen an derer Stellen, die für die Umsetzung bestimmter Forderungen verantwortlich sind. Ein gutes Beispiel ist der inklusive Arbeitsmarkt, bei dem viele Unternehmen die Beschäftigung behinderter Menschen schon deshalb ablehnen, weil sie befürchten, dass dadurch der Betriebsablauf gestört werden könne, oder nicht vorkalkulierbare Kosten entstehen. Solche Befürchtungen der Unternehmen können allerdings nur dann entstehen, wenn mangelnde Aufklärung Verunsicherung schaffen, dabei gibt es gerade im inklusiven Arbeitsmarkt, sowohl für Unternehmen als auch für Menschen mit Behinderungen, sehr viel Unterstützung.
Aber auch andere Forderungen, sind dann am Ende doch nicht immer so einfach umsetzbar, oder scheitern an fehlenden Konzepten, wenn es beispielsweise um die Barrierefreiheit in Bestandsgebäuden geht, insbesondere die technische Realisierung und Finanzierbarkeit. Gerade letzteres ist problematisch. Zwar könnten staatliche Subventionen helfen, dich in der derzeitigen Haushaltslage ist eher nicht damit zu rechnen, dass sich hier Lösungen abzeichnen.
Der substanzielle Kern bleibt aber, denn für Menschen mit Behinderungen kann es auch diskriminierend sein, wenn man an Tagen wie den "Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen" auf die Probleme aufmerksam macht und anschließend nichts von den bestehenden Problemen gelöst wird, in einem Jahr dann wieder auf dieselben Probleme aufmerksam gemacht werden muss.
Nach 14 Jahren UN-Behindertenrechtskonvention, nach den historischen Erfahrungen die gerade Menschen mit Behinderungen erfahren mussten, sollte es auch Teil der Verantwortung und geschichtliche Aufarbeitung sein, Menschen mit Behinderungen einen Platz in der gesellschaftlichen Mitte zu sein - Ein Appell der bis heute auf seine vollumfängliche Umsetzung wartet.
Der VdK-Deutschland verdeutlicht in einer Forderung, dass Barrieren abgebaut werden müssen. Forderungen die berechtigt sind. Verena Bentele die VdK-Präsidentin: „Im Koalitionsvertrag hat die Ampel vereinbart, dass Deutschland in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens barrierefrei werden soll. Geschehen ist bisher zu wenig. Besonders bei der Mobilität, beim Wohnen, in der Gesundheitsversorgung und im digitalen Bereich ist der Nachholbedarf immens. Ganz oben auf die Agenda müssen deshalb die Reformen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG). Die Ampel muss diese Vorhaben endlich anpacken und das Problem der fehlenden Barrierefreiheit ernstnehmen und lösen. Das zuständige Bundesjustizministerium hat trotz versprochener Eckpunkte für eine Reform des AGG immer noch kein Papier vorgelegt. Der VdK fordert, dass private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im AGG gesetzlich verpflichtet werden, ihre Angebote für Menschen mit Behinderung barrierefrei zu gestalten, wenn diese öffentlich zugänglich sind. Eine Mindestanforderung muss sein, dass sie angemessene Vorkehrungen im Einzelfall treffen. Zudem müssen Verstöße gegen diese Verpflichtung und die Verweigerung angemessener Vorkehrungen im Einzelfall im AGG als Diskriminierung geahndet werden. Bleiben Reformvorschläge des Bundesjustizministeriums weiterhin aus, könnten einige Punkte zur Umsetzung einer besseren Barrierefreiheit auch im BGG umgesetzt werden. Ein Schritt in die richtige Richtung für mehr gesellschaftliche Teilhabe war das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes. Doch das reicht nicht aus. Auch ein Teil der Menschen, die bisher in Werkstätten für Menschen mit Behinderung für ein geringes Entgelt arbeiten, hat den Wunsch und das Potenzial, eine Arbeit auf dem Arbeitsmarkt auszuüben. Passgenaue Unterstützung und Begleitung würden ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen.“
Berechtigte Forderungen und Kritikpunkte seitens des VdK, aber gerade im Bereich "privaten Lebens barrierefrei" wird die Finanzierung eine große Rolle spielen, sowie die Umsetzbarkeit. Zwar wäre vieles machbar, aber eben dann doch nicht in Deutschland, da dieses Land sich auch in Bürokratismuss erschlägt und die zu installierende Rampe, gerade wenn diese in den öffentlichen Bereich hineinreicht, vielerorts mit langen Genehmigungsverfahren verbunden ist.
Beim Antidiskriminierungsgesetz (AGG) gibt es eine ähnliche Problematik. Das AGG soll laut Koalitionsvertrag reformiert werden. Mittlerweile hat sich das Bündnis "AGG Reform jetzt" gebildet. Öffentlich gibt es noch keinen Entwurf, auch wenn man uns bereits zugesichert hat, dass viele Forderungen bereits in der Änderung eingearbeitet wurden, so bleibt am Ende abzuwarten, wie sich das Gesetzgebungsverfahren gestaltet, dass dann auch die Chance der Mitwirkung von Vereinen und Verbänden ermöglicht.
Wie gut Inklusion aber auch funktionieren kann, wie wichtig es ist, dass Menschen mit Behinderungen in der gesellschaftlichen Mitte ihren Platz haben, dass verdeutlichten die Special Olympics World Games 2023. Die in Berlin ausgetragenen Spiele verdeutlichten nicht nur, dass Inklusion möglich ist, sondern vermittelten auch die Notwendigkeit. Es schien, als ob die Menschen nur auf so ein Sportereignis gewartet haben, denn viele Menschen, die selbst keine Einschränkungen hatten, selbst keinen direkten Bezug hatten, wurden Teil der Special Olympics, was sich bereits an der Zuschauerzahl der Eröffnungsfeier im Olympiastadion widerspiegelte. „Am Tag der Menschen mit Behinderung ist es uns ein Anliegen, im Kontext der erfolgreichen Weltspiele in Berlin und den 216 Host Towns in diesem Jahr, auf die Situation unserer Athletinnen und Athleten hinzuweisen. Die im Rahmen der Special Olympics World Games entstandenen Strukturen müssen nun durch eine langfristige Förderung nachhaltig abgesichert werden. Wir haben den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen, aber hier darf das Engagement nicht aufhören. Für die Erreichung unserer Ziele brauchen wir starke Partner an der Seite“, sagt Christiane Krajewski, Präsidentin von Special Olympics Deutschland. Weiter heißt es von den Special Olympics:
Es besteht weiterer Handlungsbedarf
Die Anzeichen, dass sich die Situation von Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung durch die Special Olympics World Games 2023 positiv ändern wird, sind da. 6.500 Athlet*innen kamen aus der ganzen Welt nach Deutschland um ihre Spiele zu feiern und haben in Berlin sowie dem ganzen Bundesgebiet Spuren hinterlassen. Über 200 Kommunen haben die mehr als 175 internationalen Delegationen begrüßt, bevor sie sich gemeinsam auf ihren Weg nach Berlin machten. Es darf nicht Schluss sein, weder in den Kommunen noch im Austragungsort Berlin. Bisher haben nur 8 Prozent der Menschen mit geistiger Beeinträchtigung Zugang zu regelmäßigen Sportangeboten, fast 30 Prozent sind es im Bundesdurchschnitt.
„Wir brauchen bessere Bedingungen und mehr Angebote, um unseren Sport regelmäßig ausüben und um in Wettbewerben miteinander antreten zu können. Dabei setzen wir Athlet*innen auch auf die Unterstützung auf allen Ebenen”, sagt Mark Solomeyer, Athletensprecher von SOD.
Fundament des inklusiven Sports ausbauen
Special Olympics Deutschland arbeitet täglich daran, das Fundament für den inklusiven Sport zu erweitern. Das gilt für die Entwicklung des Sports vor Ort, die Schaffung von Wettbewerben, die Beratung und Begleitung von Vereinen sowie die Durchführung von Großveranstaltungen.
Inklusion im Sport gelingt durch Begegnungen. Special Olympics setzt mit dem Programm #ZusammenInklusiv Projekte wie das Host Town Program, „Wir gehören dazu“ und L.I.V.E. bundesweit Impulse damit sich dauerhaft etwas verändert. So konnten beispielweise in den letzten Jahren tausend Athlet*innen der Zugang zum Sportverein geebnet und über 200 Teilhabeberatende ausgebildet werden, die vor Ort Menschen mit geistiger Beeinträchtigung beraten und begleiten. Für die Verstetigung der Wirkung braucht es langfristige politische Unterstützung, damit dauerhaft Teilhabe im Sport gelingt.
Sportveranstaltungen als Treiber für Impulse – Winterspiele 2024 stehen vor der Tür
Mit den Special Olympics Nationalen Spiele Thüringen 2024 steht die nächste inklusive Großsportveranstaltung vor der Tür. Mehr als 900 Sportler*innen aus der ganzen Bundesrepublik werden vom 29. Januar bis 2. Februar 2024 in zehn Sportarten in den Austragungsorten Oberhof, Erfurt und Weimar ihr Bestes geben. Das Motto der Spiele #GemeinsamStark– ist Ausdruck dessen, was Special Olympics Veranstaltungen ausmacht, Inklusion leben und erleben. In den Wettbewerben, bei der Organisation aber auch bei den Helfenden, überall werden Menschen mit geistiger Beeinträchtigung eingebunden. Special Olympics Deutschland ist überzeugt: Inklusion gelingt und bereichert die Gesellschaft, man muss nur den Rahmen schaffen.
Autor: kro / © EU-Schwerbehinderung
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