Hannover klagt gegen Land Niedersachsen: Streit um Finanzierung inklusiver Schulen
- Lesezeit: 3 Minuten
Im Jahr 2012 beschloss der Landesgesetzgeber, im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ab dem Schuljahr 2013/2014 inklusive Schulen verpflichtend einzuführen, beginnend mit der 1. und 5. Klasse. Dies bedeutet, dass allen Schülerinnen und Schülern, auch jenen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, die bisher an Förderschulen unterrichtet wurden, ein barrierefreier und gleichberechtigter Zugang zu ermöglichen ist. Das Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“ beschreibt treffend das seit 2006 in Artikel 57 Absatz 4 der Niedersächsischen Verfassung festgeschriebene Konnexitätsgebot. Dieses verpflichtet das Land, den Kommunen wesentliche und notwendige Kosten zu erstatten, die durch neue oder veränderte Aufgaben entstehen, wie es in einer Pressemitteilung des Verwaltungsgericht Hannover heißt.
Die Kommunen haben als Schulträger insbesondere die Aufgabe, die erforderlichen Schulanlagen zu errichten, mit der notwendigen Einrichtung auszustatten und ordnungsgemäß zu unterhalten, während das Land für das pädagogische Personal verantwortlich ist.
Nachdem der Landesgesetzgeber zunächst davon ausging, dass den Schulträgern durch die gesetzlichen Neuregelungen zur inklusiven Schule keine erheblichen Kosten entstehen würden, verabschiedete er infolge einer Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit Blick auf das verfassungsrechtliche Konnexitätsgebot in 2015 eine gesetzliche Regelung zu finanziellen Ausgleichsleistungen.
Diese sieht u. a. eine jährliche Sachkostenpauschale für die Schulträger vor, die nach dem Verhältnis der Schülerzahl im Primarbereich I und im Sekundarbereich I beim jeweiligen Schulträger zur entsprechenden Gesamtschülerzahl in ganz Niedersachsen verteilt wird. Bei der Verteilung der Pauschale spielen die Schülerzahlen im Sekundarbereich II mithin keine Rolle, obwohl inklusiv beschulte Schülerinnen und Schüler ab dem Schuljahr 2018/2019 im Sekundarbereich II "ankamen" – nämlich im Schuljahr 2018/2019 nach insgesamt neun Schuljahren in den berufsbildenden Schulen und im Schuljahr 2019/2020 nach insgesamt zehn Schuljahren im sonstigen Sekundarbereich II, also etwa an Gymnasien.
Die klagende Region Hannover ist Trägerin von mehreren berufsbildenden Schulen sowie des Abendgymnasiums Hannover und des Hannover-Kollegs und damit mit Ausnahme von Förderschulen ausschließlich Schulträgerin im Sekundarbereich II. Bei der Verteilung der Sachkostenpauschale erhielt sie keine Leistungen des Landes. Mit ihrer Klage wendet sie sich gegen eine "Nullfestsetzung" des beklagten Landesamtes für Statistik für das Haushaltsjahr 2022 und begehrt zudem die Feststellung eines Verstoßes gegen das Konnexitätsgebot und einer daraus resultierenden Verletzung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung. Sie habe infolge der Einführung inklusiver Schulen hohe finanzielle Aufwendungen zur Herstellung der Barrierefreiheit.
Das beklagte Landesamt ist der Auffassung, dass sich für die Klägerin durch die Einführung der inklusiven Schule rechtlich nichts verändert habe, weil Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich II schon vor der Rechtsänderung allgemeine – den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention genügende – inklusive Schulen hätten besuchen müssen, denn es sei im Sekundarbereich II kein Förderschulsystem vorgehalten worden und eine bestehende Behinderung hätte einem Aufnahmeanspruch an einer Schule nicht entgegengehalten werden dürfen.
Die mündliche Verhandlung beginnt am 30. Oktober 2024 um 9.15 Uhr und findet in Saal 4 des Fachgerichtszentrums Hannover statt.
Az.: 1 A 4916/22