Verband warnt vor Einschränkung von Betreuungsangeboten
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Der Evangelische Bundesfachverband für Teilhabe (BeB) begrüßt den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuerinnen und Betreuer. Besonders positiv wird die Abschaffung der Differenzierung nach der Wohnform bewertet. Gleichzeitig betont der Verband seine Besorgnis über die Auswirkungen des Entwurfs auf das Wunsch- und Wahlrecht mittelloser Betreuter*innen, da hier wesentliche Rechte eingeschränkt werden könnten.
„Die geplante Reform gefährdet die Betreuungssituation insbesondere für Menschen, die ihrer eigenen Wohnung leben wollen und nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen,“ warnt Pfarrer Frank Stefan, Vorstandsvorsitzender des BeB. „Die moderate allgemeine Erhöhung der Vergütungssätze reicht nicht aus. Sie deckt den Aufwand nicht, sodass viele Betreuungsvereine und Berufsbetreuer*innen gezwungen sein werden ihr Angebot einzuschränken. Dies wird das Wunsch- und Wahlrecht der Betreuten erheblich einschränken.“
Der BeB fordert zudem eine faire Vergütung für eine assistierende Form von Betreuung, die den Aufwand für die Unterstützung eigenständiger Entscheidungen der Betreuten berücksichtigt. „Der Paradigmenwechsel hin zur assistierenden Betreuung ist dringend geboten“, betont Stefan. „Dieser Tatsache muss endlich auch vergütungsrechtlich Rechnung getragen werden.“
Hier können Sie die vollständige Stellungnahme des BeB einsehen. Der BeB wird auch zukünftig den Austausch mit dem Gesetzgeber aktiv fortsetzen. Die begrüßte Abschaffung der Differenzierung nach Wohnformen stellt einen Fortschritt dar, der jedoch nicht über die gravierenden Bedenken hinwegsehen kann, die der Verband hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen auf mittellose Betreute äußert.
Zudem übt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) scharfe Kritik an dem aktuellen Referentenentwurf zur Neuregelung des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG). Der Entwurf, der ab 2026 in Kraft treten soll, sieht eine Anpassung der Vergütungsstruktur vor, die nach Ansicht der BAGFW die finanzielle Situation der Betreuungsvereine in Deutschland weiter verschärfen wird.
„Die vorgesehenen Vergütungen gefährden die Arbeitsfähigkeit der Betreuungsvereine. Denn sie reichen nicht aus, um die strukturellen Defizite der Vereine zu beheben, die durch langjährige Unterfinanzierung entstanden sind“, betont Michael Groß, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Besonders die fehlende Dynamisierung der Vergütung und die unzureichende Berücksichtigung steigender Personalkosten, die durch die anstehenden Tarifverhandlungen 2025 weiter zunehmen werden, sind zentrale Kritikpunkte.
Existenzielle Bedrohung der Betreuungsvereine
Viele Betreuungsvereine sehen in den geplanten Regelungen eine existenzielle Bedrohung. Mit den vorgesehenen Vergütungen können die Vereine ihre tarifgebundenen Mitarbeiter:innen nicht mehr ausreichend finanzieren. Bereits jetzt arbeiten die Vereine an der Belastungsgrenze. Denn schon die letzte Vergütungsanpassung im Jahr 2019 reichte nicht aus, um die im Zeitraum von 2005 – 2019 entstandenen Kostensteigerungen aufzufangen.
Der Referentenentwurf sieht zudem keine automatische Anpassung der Vergütung an zukünftige Tarif- und Kostensteigerungen vor, sondern nur eine erneute Evaluation. „Diese fehlende Planbarkeit führt dazu, dass viele Betreuungsvereine schließen und Berufsbetreuer:innen sich andere Tätigkeitsfelder suchen müssen“, so Michael Groß weiter.
Gefährdung der Betreuungsqualität
Die BAGFW sieht durch den aktuellen Entwurf nicht nur die Finanzierung der Betreuungsvereine, sondern auch die Betreuungsqualität in Gefahr. „Die geplante Vergütung zwingt rechtliche Betreuer:innen dazu, mehr Betreuungen zu übernehmen. Dies schränkt die individuelle Betreuung und die Selbstbestimmungsrechte der betreuten Menschen massiv ein“, erklärt die BAGFW. Dies widerspreche den Zielen der Betreuungsrechtsreform und der UN-Behindertenrechtskonvention, die eine stärkere Unterstützung und Teilhabe der betreuten Menschen anstreben.
Forderung nach grundlegender Überarbeitung
Die BAGFW fordert daher eine grundlegende Überarbeitung des Entwurfs, der eine existenzsichernde Vergütung für Betreuungsvereine gewährleistet. Nur so kann sichergestellt werden, dass die zivilgesellschaftlichen Strukturen der Rechtlichen Betreuung erhalten bleiben und die Betreuungsqualität gewährleistet ist.
Die BAGFW hat eine Postkarten-Aktion initiiert, an der jeder Betreuungsverein teilnehmen kann: einfach den Absender auf die Karte schreiben oder stempeln und an die lokalen Akteure im Betreuungsrecht senden, damit auch die Politik in den Kommunen auf die Not der Betreuungsvereine aufmerksam wird und sich gegen den geplanten Gesetzesentwurf wendet.
Die Warnungen vor einer möglichen Einschränkung der Betreuungsangebote und der damit verbundenen Gefährdung des Wunsch- und Wahlrechts verdeutlichen die Notwendigkeit eines sorgfältigen Umgangs mit der Reform. Es ist entscheidend, dass die Vergütungssätze nicht nur moderat erhöht werden, sondern dass sie auch die tatsächlichen Aufwände der Betreuer*innen angemessen berücksichtigen.