5,8 Millionen Menschen profitieren von höherem Mindestlohn
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Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) waren rund 5,8 Millionen Jobs von der Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober 2022 betroffen. Somit lagen 14,8 % aller Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland vor der Mindestlohnerhöhung im Oktober 2022 rechnerisch unterhalb des Stundenlohns von 12 Euro. Als Berechnungsgrundlage dienen dabei die Ergebnisse der Verdiensterhebung von Juli 2022. Werden diese 5,8 Millionen Jobs mit dem Mindestlohn vergütet, entspricht dies einer Steigerung der Verdienstsumme für die betroffenen Beschäftigten um 9,6 % (rund 480 Millionen Euro).
Frauen und Ostdeutsche haben besonders von der Mindestlohnerhöhung profitiert
Überdurchschnittlich häufig von der Mindestlohnerhöhung betroffen sind Frauen mit rund 18 %, bei Männern sind es hingegen nur gut 12 %. Der Anteil bei Beschäftigten aus Ostdeutschland fällt mit rund 18 % im Vergleich zu Westdeutschland (14 %) höher aus. Über alle Bundesländer hinweg ist der Anteil in Sachsen-Anhalt mit 18,6 % am höchsten, während Baden-Württemberg mit 12,6 % den niedrigsten Anteil an Beschäftigungsverhältnissen hat, die vom Mindestlohn betroffen sind. Auch bei den Branchen gibt es deutliche Unterschiede: Stark betroffen sind vor allem das "Gastgewerbe" mit einem Anteil von 48 % und die Branche "Land- und Forstwirtschaft, Fischerei" mit 41 %.
Der Mindestlohn entspricht 56,4 Prozent des mittleren Verdienstes von Vollzeitbeschäftigten
Laut einer EU-Richtlinie soll der Mindestlohn bei 60 % des mittleren Verdienstes - gemessen am Median - liegen. Dieses Verhältnis wird als Kaitz-Index bezeichnet. Das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) berücksichtigen bei der Berechnung des Kaitz-Index ausschließlich Beschäftigte in Vollzeit.
Im Oktober 2022 lag der deutschlandweite mittlere Bruttostundenverdienst bei 21,29 Euro für mindestlohnberechtigte Vollzeitbeschäftigte. Der Mindestlohn von 12 Euro entsprach somit einem Anteil von 56,4 %. Werden alle mindestlohnberechtigten Beschäftigten einbezogen, beträgt der mittlere Verdienst nur noch 18,94 Euro. Der Mindestlohn entspricht dann einem Anteil von 63,4 %.
Erhöhung des Mindestlohns verkleinert Niedriglohnsektor deutlich
Knapp jede und jeder siebte abhängig Beschäftigte (15 %) in Deutschland arbeitete im Oktober 2022 im Niedriglohnsektor. Hierunter fallen alle Beschäftigungsverhältnisse, die mit weniger als zwei Drittel des mittleren Verdienstes entlohnt werden. Somit wurden rund 6,1 Millionen Jobs unterhalb der Niedriglohnschwelle von 12,76 Euro brutto je Stunde entlohnt. Dies waren rund 1,5 Millionen Jobs weniger als im April 2022 (7,5 Millionen). Der Anteil der niedrig entlohnten Jobs an allen Beschäftigungsverhältnissen sank somit bundesweit innerhalb eines halben Jahres von 19 % auf 15 %.
Besonders stark war der anteilige Rückgang in den Branchen "Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen" (40 % auf 20 %), "Gastgewerbe" (63 % auf 50 %) und "Land- und Forstwirtschaft, Fischerei" (56 % auf 45 %). Dennoch ist der Anteil an Jobs im Niedriglohnbereich in diesen Branchen weiterhin sehr hoch.
Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied, zur Auswertung des Statistischen Bundesamts zum Mindestlohn:
„5,8 Millionen Menschen haben seit der Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro mehr Geld im Portemonnaie. Der Anteil derer, die zu Niedriglöhnen arbeiten, ist seit der Erhöhung gesunken – von 19 auf 15,2 Prozent. Beides zeigt: Den Mindestlohn zu erhöhen, war genau richtig. Der Mindestlohn erfüllt somit eines seiner vorrangigen Ziele – nämlich den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Besonders profitieren Frauen (3,3 Millionen) sowie geringfügig Beschäftigte (3 Millionen).
Die Mindestlohn-Erhöhung wirkt sich zusätzlich positiv auf die Wirtschaft aus, da die Kaufkraft der Beschäftigten steigt. Die stärkere Kaufkraft und höhere Binnennachfrage hilft in den aktuellen Krisen, die Konjunktur zu stabilisieren. Ausgeblieben sind so genannte negative Beschäftigungseffekte, das zeigt die Forschung. Wer also weiterhin behauptet, durch einen höheren Mindestlohn gehen Jobs verloren, lebt in einer Märchenwelt.
Ende Juni wird die Mindestlohnkommission wieder über die Höhe des Mindestlohns entscheiden, der dann ab 1.1.2024 gilt. Für die Gewerkschaften ist klar: Da muss was kommen, der Mindestlohn muss steigen. Die Inflation frisst die letzte Mindestlohnerhöhung nämlich weitgehend auf. Die Teuerung bei Energie und Lebensmitteln trifft die arbeitende Bevölkerung hart – und ganz besonders Menschen, die zum Mindestlohn arbeiten und ohnehin ein geringes Einkommen haben. Es geht darum, dass der Mindestlohn auch zukünftig die Kaufkraft der Beschäftigten sichert. Es gilt, die Arbeit von Millionen Beschäftigten wertzuschätzen. Es geht hier größtenteils um Beschäftigte, die buchstäblich den Laden am Laufen halten – zum Beispiel im Handel, Logistik und im Gastgewerbe.“