Lauterbach sieht Gesundheitssystemprobleme als Resultat von Fehlern in der Vorgängerzeit
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Für die aktuellen Probleme im deutschen Gesundheitssystem macht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) „Fehler aus der Vorgängerzeit“ verantwortlich. Probleme beim ärztlichen Nachwuchs seien auf zu wenige Medizinstudienplätze zurückzuführen, sagte der Minister während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag. Die Zahl der Medizinstudienplätze hätte schon seit langem um 5.000 pro Jahr erhöht werden müssen. „Wir werden einen Arztmangel, wie es ihn jetzt schon bei Hausärzten gibt, bei fast allen Facharztgruppen haben“, sagte Lauterbach. Fehler, so der Minister weiter, seien auch bei der Digitalisierung gemacht worden. Sie habe für die Ärzte zu Mehrbelastungen geführt. Als weitere Fehler der Vergangenheit benannte der Minister die Beibehaltung der Arzneimittelregresse und der Budgetierung. All dies, so der Gesundheitsminister, gehe die jetzige Bundesregierung an.
Aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, reichen Ankündigungen aber nicht aus. Die Rahmenbedingungen für niedergelassene Ärzte verschlechterten sich zusehends. „Wir stehen vor einem Kipppunkt und haben große Sorgen, dass die Versorgung der Menschen durch die Praxen perspektivisch wegbricht und dann nicht mehr regenerierbar ist“, sagte Gassen, dessen der Sitzung zugrunde liegende öffentliche Petition (ID 158622) mehr als eine halbe Million Unterschriften erhalten hat. Der KBV-Vorstandsvorsitzende schreibt darin, das ambulante System werde seit Jahren kaputtgespart. Es fehle massiv an Personal. Zudem werde der Bürokratieaufwand immer größer. „Immer mehr Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Praxismitarbeitende resignieren und flüchten aus dem System“, heißt es in der Eingabe.
Gassen fordert unter anderem eine Abschaffung der Budgets, damit Praxen für die Leistungen bezahlt werden, die sie täglich erbringen. Zudem brauche es eine sinnvolle Digitalisierung, weniger Bürokratie und keine Regresse.
Der Minister sieht sich auf einem guten Weg dahin. Die Digitalisierung in den Praxen werde nun umgestellt. Von der elektronischen Patientenakte, die es ab dem nächsten Jahr geben werde, so Lauterbach, habe der Arzt unmittelbare Vorteile. So würden unter anderem telemedizinische Leistungen auch abgerechnet. Klar sei für ihn, dass es keinen Sinn mache, in die derzeit ineffektiven Strukturen einfach mehr Geld zu geben. Die benötigten Reformen, um die Fehler der Vergangenheit zu heilen, seien „auf der Endstrecke“, sagte Lauterbach und verwies auf das geplante Vorsorgestärkungsgesetz, das sich derzeit in der Koordinierung der Bundesregierung befinde und „in Kürze“ dem Bundestag zugeleitet werde.
Der KBV-Vorstandsvorsitzende Gassen blieb angesichts der Ankündigungen des Ministers skeptisch. Die Sorgen der Praxisärzte dürften nicht abgetan werden. Um die Zuversicht in der Ärzteschaft zu stärken, brauche es nicht Maßnahmen, die in fünf Jahren Wirkung zeigen, sondern innerhalb der nächsten Wochen, sagte er. Sichtbare Verbesserungen seien sehr schnell zu erreichen. Der Verzicht auf Regresse sei „ein Federstrich im Gesetz“. Die Sanktionen bei der Digitalisierung könnten ohne Probleme aufgehoben werden. Für die Entbudgetierung braucht es aus seiner Sicht noch nicht mal ein eigenes Gesetz. Die Entbudgetierung der Hausärzte stehe seit 2,5 Jahren im Koalitionsvertrag, so Gassen. Bei Kinder- und Jugendärzten sei sie sehr kurzfristig umgesetzt worden.
Lauterbach räumte ein, dass man dies auch im Falle der Hausärzte hätte so machen können. Mit dem Hausärzteverband, so der Minister, sei aber vereinbart worden, dass die Entbudgetierung Teil einer breiteren Gesetzgebung sein solle. „Wir haben gesagt: Es ist jetzt 16 Jahre nicht gekommen. Da kommt es auch nicht auf vier Wochen an.“
Autor: Bundestag/hib | © EU-Schwerbehinderung/Deutscher Bundestag