Karlsruhe-Urteil: Bund muss das Bildungs- und Teilhabepaket für bedürftige Kinder und Jugendliche neu regeln
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Die Leistungen für die Bildung und Teilhabe von bedürftigen Kindern und Jugendlichen muss der Bund neu regeln. Dieses hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und hat damit einer Klage mehrerer kreisfreier Städte in Nordrhein-Westfalen recht geben. So hatten Sie sich dagegen gewehrt, dass sie im Bereich der Sozialhilfe auch für dieses Leistungen zuständig seien. Den Kommunen hatte der Bund damit unzulässiger Weise personelle und finanziellen Lasten auf gebürgt, ohne ihnen dabei die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Durch die Mehrbelastung werde das Recht der Kommunen auf ihrer Selbstverwaltung verletzt, hieß es zur Begründung.
Bis Ende 2021 muss der Gesetzgeber nun das Bildungs- und Teilhabepaket neu regeln. Die bestehenden Vorschriften bleiben bis dahin in Kraft. Bereits 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht in einen „Hartz-IV-Urteil“ dem Gesetzgeber auferlegt, dass alle existenznotwendigen Bedarfe für ärmere Sozialleistungsbezieher in einem transparenten und realitätsgerechten Verfahren festgestellt werden müssen. Darauf wurde 2011 das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder aus Sozialhilfe- und Harzt-IV-Familien eingeführt.
Damit sollten die Kosten für Schutzmaterial und Nachhilfestunden getragen werden. Mehrfach wurden die Regelungen im Sozialgesetzbuch SGB II für Hartz-IV-Leistungen und SGB XII Sozialhilfe geändert, als letztes mit dem ab 2020 geltenden „Starke-Familien-Gesetz“.
Aus zehn kreisfrei Städte aus Nordrhein-Westfalen hielten die Beschwerdeführer die Sozialhilfevorschriften für das Bildungs- und Teilhabepaket für verfassungswidrig. Nun müssten Sie mehr Leistungen bezahlen und zudem mehr Personal aufbringen für die Bearbeitung der Leistungen. Diesem hatte das Bundesverfassungsgericht weitgehend gefolgt.
Der Gesetzgeber muss bis Ende 2021 die Gewährung vieler Bildungs- und Teilhabeleistungen für bedürftige Kinder und Jugendliche neu regeln. Derzeit sind dafür allein die Kommunen als örtlicher Träger für die Sozialhilfe zuständig. 2011 hatte der Bund deren Aufgaben auf diesem Gebiet schon unzulässiger Weise ausgeweitet, dieses hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Die Gewährung vieler Bildungs- und Teilhabeleistungen für bedürftige Kinder und Jugendliche muss bis Ende 2021 anders organisiert werden. Bisher sind dafür allein die Kommunen als örtliche Träger der Sozialhilfe zuständig. Deren Aufgaben auf diesem Gebiet hat der Bund aber schon im Jahr 2011 in unzulässiger Weise ausgeweitet, wie das Bundesverfassungsgericht jetzt entschied. Durch die Mehrbelastung würden die Kommunen in ihrem Recht auf Selbstverwaltung verletzt.
Zu den Bildungs- und Teilhabeleistungen gehören etwa die Kosten für Klassenfahrten, der Zuschuss zum Schulbedarf, die Mittagsverpflegung, sowie die Lernförderung. Die Mittel wurde zuletzt durch das „Starke-Familien-Gesetz“ noch einmal aufgestockt.
Für verfassungswidrig halten die klagenden Kommunen es, dass ihnen vom Bund die Aufgaben direkt übertragen wurden. Dazu sein die Länder seit der Föderalismusreform eigentlich nur berechtigt.
Als Träger öffentlicher Gewalt sind die Gemeinden nicht grundrechtsberechtigt. Ein Recht auf Selbstverwaltung sichert ihnen aber das Grundgesetz zu. Falls sie dieses Recht verletzt sehen, können Sie Kommunalverfassungsbeschwerde erheben.
Bis Ende 2021 hat nun der Bund Zeit, die Finanzierung neu zu regeln.
(Az. 2 BvR 696/12)
Zum heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Neuorganisation von Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder erklärt Sven Lehmann, Sprecher für Sozialpolitik von den Grünen:
„Das Urteil ist eine Klatsche für die Bundesregierung. Sie hat mit dem Bildungs- und Teilhabepaket vor fast zehn Jahren ein Bürokratiemonster geschaffen und hält seitdem eisern daran fest. Dabei kommen die Leistungen nur bei etwa einem Drittel der Kinder an, die einen Anspruch darauf haben. Es ist zudem stark vom Wohnort abhängig, welche kulturellen oder sportlichen Aktivitäten für Kinder und Jugendliche angeboten werden. Das ist ungerecht. Zwar ist es die Aufgabe der Kommunen sicherzustellen, dass alle Kinder mobil sein können oder ein warmes Mittagessen in Kitas und Schulen bekommen. Der Bund darf sie dabei aber nicht alleine lassen oder bürokratische Lasten auferlegen.
Wir Grüne fordern daher schon seit Jahren, dass das Bildungs- und Teilhabepaket aufgelöst wird und wir stattdessen den Einstieg in eine Kindergrundsicherung schaffen. Diese muss Schluss machen mit dem Antragsdschungel unterschiedlicher Leistungen. Familien mit keinem oder kleinem Einkommen stärkt man nicht mit bürokratischen Instrumenten. Jedes Kind hat das Recht auf Bildung und Teilhabe, ohne komplizierte Anträge und Kompetenzstreitigkeiten. Das muss die Bundesregierung endlich zum Grundsatz ihrer Politik machen.“
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung