Bremen will Entgelte für Beschäftigte in Behindertenwerkstätten (WfbM) absichern
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Für Menschen mit Behinderung haben die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie häufig sehr problematische Konsequenzen. Die Situation von Mitarbeiter*innen in „Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)“ ist kritisch.
Während es für die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen in den Behindertenwerkstätten (WfbM) eine Absicherung der Löhne durch den Senat gibt, wird das Entgelt der Werkstattbeschäftigten im Wesentlichen aus den Arbeitsgewinnen der Gewerke finanziert. So ist das Arbeitsergebnis in vielen WfbM nicht vergleichbar mit anderen Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt. Die Beschäftigten in den Werkstätten erhalten als Entlohnung im bundesweiten Durchschnitt ca. 214 Euro monatlich. Mit einem gemeinsamen Antrag (106 kb) der Bremischen Bürgerschaft von SPD, die Linken und Bündnis 90/Die Grünen wollen die Fraktionen die Entgelte für Werkstattbeschäftigte sicherstellen und das diese auch über 2020 hinaus abgesichert werden.
"Ohne Einnahmen für die Werkstätten im Lockdown brach vielerorts zudem die – ohnehin nur geringe – Bezahlung für die Menschen mit Behinderungen weg. Können die Werkstätten aus ihren geringen erwirtschafteten Überschüssen keine freiwilligen Zahlungen vornehmen, so gehen die Mitarbeiter*innen mit Behinderungen leer aus – oder können eine geringere Summe ausbezahlt bekommen. Dies ist sozial- und behindertenpolitisch ein unhaltbarer Zustand und für viele dieser Beschäftigten hochproblematisch. Bund und Länder haben nun Änderungen in der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung beschlossen. Diese sollen die Entgelteinbußen von Werkstattbeschäftigten zumindest teilweise auffangen. Hierfür wurde ein Betrag von rund 70 Millionen Euro eingesetzt. Zwar relativiert sich dieser Be-trag bei rund 312.000 Beschäftigten sehr schnell, hilft den Werkstätten in 2020 aber für einige Zeit. Die meisten Werkstätten können ihre Mitarbeiter so, zusammen mit gebildeten Rücklagen, zumindest bis zum Jahresende 2020 auszahlen. Gegenwärtig deutet sich allerdings an, dass die Krise durch die Coronavirus-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen sowie die entsprechend wegbrechenden Auftragslage anhält", heißt es im Antrag der Regierungsfraktionen in Bremen.
Der Sozialverband Deutschland äußert sich zu dem Kritisch:
„Die 70 Millionen Euro dürfen nicht im „Zuständigkeitsdickicht“ zwischen Bund, Ländern und Werkstätten versickern. Daher muss der Bund von den Ländern fristgebunden einen Bericht verlangen, an wen sie die Gelder konkret ausbezahlt haben. Der SoVD verweist darauf, dass bei 70 Millionen Euro für die 312.000 Werkstattbeschäftigten im Schnitt 224 Euro zu zahlen wären.
Unabhängig von den coronabedingten Ausgleichszahlungen fordert der SoVD, den gesetzlichen Mindestlohn auf Werkstattbeschäftigte anzuwenden. Bislang beläuft sich ihr Arbeitsentgelt durchschnittlich auf nur 180 Euro im Monat trotz Vollzeittätigkeit. Obwohl die WfbM eine Reha-Einrichtung ist, leisten die Beschäftigten dort oft über viele Jahre gesellschaftlich wertvolle Arbeit, die durch den Mindestlohn Anerkennung erfahren sollte. Nicht zuletzt ist ein Konzept nötig, das die Sonderstruktur der Werkstätten langfristig in Richtung eines inklusiven Arbeitsmarktes weiterentwickelt.“
Im Antrag fordert die Bürgerschaft den Senat auf:
- sich auf der Bundesebene verstärkt für ein Finanzierungsprogramm über 2020 hinaus einzusetzen, das die Bezahlung der Beschäftigten in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen auch zukünftig mindestens in der vor der Sars CoV-2-Pandemie üblichen Höhe absichert;
- im Falle eines Scheiterns einer solchen Initiative unverzüglich mit den betroffenen Werkstätten eine Vereinbarung zu treffen, um die Entgelte für die Beschäftigten in den Werkstätten für behinderte Menschen mindestens in der vor der Sars CoV-2-Pandemie üblichen Höhe über 2020 hinaus abzusichern;
- kurzfristig ein Konzept zu entwickeln und umzusetzen, das für Menschen mit Behinderungen, die im Kontext der Maßnahmen zur Eindämmung der CoronavirusPandemie nicht mehr ihrer Tätigkeit nachgehen, wöchentlich mehrmalige aufsuchende Aktivitätsangebote sicherstellt;
- der staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Integration spätestens vier Monate nach Beschlussfassung über die Aktivitäten des Senats zu berichten, das Konzept für aufsuchende Aktivitätsangebote vorzustellen sowie dessen Umsetzung zu erläutern.
„Menschen mit Behinderungen dürfen nicht die Verlierer*innen der gegenwärtigen Krise werden. Der Bremer Senat muss sich klar zur Unterstützung der betroffenen Menschen mit Behinderungen bekennen.“, so die Bürgerschaft Bremen.
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung