Pflegereformgesetz: Herr Spahn, was sagt Ihnen Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention?
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Das Pflegereformgesetz steht weiterhin in der Kritik. Der bekannt gewordene Arbeitsentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium zum Pflegereformgesetz stößt bei den Fachverbänden für Menschen mit Behinderung auf große Verärgerung. „Im Ergebnis werden durch diese Regelung die Mittel für die flexible Einsetzbarkeit der Verhinderungspflege um fast 50 Prozent gekürzt“, erläutert Helga Kiel, Vorsitzende des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm). „Derzeit stehen für die stundenweise Inanspruchnahme von Verhinderungspflege jährlich 2.418 Euro zur Verfügung, künftig sollen es nur noch 1.320 Euro im Jahr sein. Das ist ein Schlag ins Gesicht für Eltern behinderter Kinder.“ Kritik kam auch vom ASB: "Die Entlastung der Pflegebedürftigen durch eine Begrenzung des Eigenanteils bleibt weit hinter dem zurück, was im letzten Jahr angekündigt wurde. Eine nachhaltige Entlastung der Pflegebedürftigen kann so nicht gewährleistet werden", sagte Dr. Uwe Martin Fichtmüller, Hauptgeschäftsführer des ASB.
Er verwies darauf, dass bundesweit eine weitere Erhöhung der Eigenanteile absehbar sei - aufgrund der angestrebten und vom ASB begrüßten Zahlung von Tariflöhnen für Pflegekräfte, der Ausbildungsumlage und aufgrund der gesetzlich vorgesehenen besseren Personalausstattung in den Einrichtungen. Fichtmüller kritisierte ferner, dass der Vorentwurf eines Pflegereformgesetzes die ambulante Pflege im Vergleich zur stationären Pflege schlechter stellt. So sollen die Sachleistungen in der häuslichen Pflege erst in zwei Jahren und dann lediglich um jährlich 1,5 % steigen. "Viel zu wenig und zu spät", so Fichtmüller, "denn im ambulanten Bereich sind die Kosten ebenfalls stark gestiegen.
Laut Arbeitsentwurf ist vorgesehen, nur die stationäre Pflege durch eine Deckelung des Eigenanteiles der betroffenen Person besser zu stellen. Die ambulante Versorgung und auch das Arbeitgebermodell, bei denen behinderte Menschen selbstbestimmt ihre persönlichen Assistent*innen einstellen um damit ein selbstbestimmtes Leben zu führen, geraten durch das Spahnsche Vorhaben erneut unter Druck. „Es wird absichtlich verkannt, dass die ambulante Versorgung in Deutschland bei weitem den größten Anteil in der Pflege hat! Dabei muss doch auch für das Gesundheitsministerium die UN-BRK gelten. In Artikel 19 ist das Recht auf eine selbstbestimmte Lebensführung geregelt. Das bedeutet im Klartext: Niemand darf - auch nicht durch die Hintertür - verpflichtet werden, im Heim zu leben; es muss eine echte Wahlmöglichkeit geben und genau das ist es, was dem bekanntgewordenen Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums fehlt“, so Koritz weiter.
Weiterhin sieht der Entwurf vor, pflegenden Angehörigen die stundenweise Entlastung und Auszeit von der Pflege mittels der Verhinderungspflege zu halbieren. Der derzeitige Entwurf geht in eine völlig falsche Richtung!
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung