Behindertenpolitik: Abrechnung mit der Bundesregierung
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Nach vier Jahren Behindertenpolitik der Bundesregierung, wird es wieder Zeit, eine Bilanz zur Behindertenpolitik zu ziehen. Das dachte sich auch die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben Deutschland e.V. (ISL e.V.) bei ihrer Aktion am 15.09.2021 am Brandenburger Tor, die unter dem Motto „Du hast die Wahl: Für eine menschenrechtliche Behindertenpolitik“ lief.
Eines der klassischen Themen ist die Forderung nach einem inklusiven Schulsystem, denn laut der UN- Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) hat jedes Kind das Recht auf einen Schulbesuch einer Regelschule.
Das mit der UN-BRK scheint sowieso so eine Sache zu sein. Sigrid Arnade vom ISL, macht das exemplarisch an einem Beispiel fest und verdeutlicht, dass man offensichtlich die Rechtsverbindlichkeit der UN-BRK in einigen Bundesländern nicht kennt. „Vom obersten hessischen Verwaltungsgericht zum Beispiel mal ein Urteil wo nachgesagt, wurde diese UN-Behindertenrechtskonvention gilt in Hessen nicht. Da muss erst mal das Parlament zustimmen“. Solche Aussagen verwundern schon, denn das Bundesverfassungsgericht hatte die Gültigkeit der UN- Behindertenrechtskonvention bereits bestätigt und verwies auf Artikel 25 des Grundgesetzes, wonach die UN- Behindertenrechtskonvention dem eines Bundesgesetzes gleichkommt.
Kritik fand Arnade, insbesondere auch bei der Bezahlung, an den Werkstattsystem (WfBM) für Menschen mit Behinderungen. „300.000 behinderte Menschen in Deutschland arbeiten in diesen Werkstätten für behinderte Menschen. Sie produzieren Autoteile für Mercedes, VW für BMW und sie verdienen eben nur etwa 200 Euro im Monat. Zum Teil auch weniger und das geht nicht. Sie müssten mindestens den Mindestlohn bekommen und sie müssten mit anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusammenarbeiten. Deshalb hat der Ausschuss in Genf gefordert, dass Deutschland aussteigen muss aus diesem System. Das Gegenteil ist der Fall, was hat Deutschland als Reaktion gemacht? Sie haben erst mal ein Gesetz verabschiedet, was den Werkstätten für die nächsten 100 Jahre Aufträge sichert“
Neben vielen weiteren Kritikpunkten (siehe Videobeitrag) durfte sich auch der Bundesverkehrsminister über Kritik freuen, denn massive Kritik hagelte es, mit exemplarischen Beispielen, an der Barrierefreiheit der Deutschen Bahn. Dabei ging es nicht nur um die Barrierefreiheit im technischen Sinn, also ob jemand mit dem Rollstuhl, dem Rollator oder dem Kinderwagen auch die Bahngleise erreichen kann, sondern auch um die Nutzung der Zugänge im Zug. Wer in den Zug mit einem Rollstuhl einsteigen will, ist häufig auf den Mobility-Service der Deutschen Bahn angewiesen. Doch dieser steht nicht 24 Stunden zur Verfügung, sondern nur in einem Zeitfenster zwischen 6-18 Uhr. Zu wenig, denn wer am frühen Morgen um 6 Uhr erst den Zug besteigen darf, wird vermutlich seinen Termin um 8 Uhr, kaum noch erreichen können.
Sowohl Sigrid Arnade, als auch Alexander Ahrens, machen in diesem Beitrag sehr deutlich, welche Probleme es in Deutschland immer noch gibt und das Deutschland an vielen Punkten noch weit entfernt davon ist, Inklusion im Sinne der UN-BRK, zu betreiben.
Autor: kro / © EU-Schwerbehinderung